Konzertbericht
The National
The National sind beim heutigen ersten von zwei Konzerten in großartiger Form – es ist beeindruckend, zu welch Institution sie sich mittlerweile entwickelt haben. Über zwei Stunden Spielzeit, neunköpfige Liveband, alles ist angerichtet für einen großartigen, tiefgängigen Abend. Eine großartige Bereicherung und Weiterentwicklung ist es, dass Matt Berninger Platz an seiner Seite für weitere Leadstimmen macht, für weibliche Stimmen. Heute Abend in Berlin sind es Kate Stables von This Is The Kit und Pauline de Lassus (Mina Tindle). Sie fügen sich perfekt ein und bereichern das Gesamtbild ungemein.
Das Konzert wird dann: Sehr, sehr gut. Ein perfekter Abend, musikalisch vielfältig, tiefgängig, nur eben: Zu perfekt. Es ist ein schmaler Grat: Einerseits ist es großartig und wenigen Bands so sehr zu gönnen, dass sie nun so erfolgreich sind wie The National. Denn sie verdienen diesen Erfolg zweifellos und haben sich über viele Jahre kontinuierlich auf größere Bühnen hochgespielt. Gleichermaßen ist es nicht mehr so magisch wie früher, wo jedes Konzert wie eine epische Messe war, die davon lebte, jeden Moment zerbrechen zu können. Diese Zerbrechlichkeit ist nun gewichen, die Band gereift, und, es klingt absurd, zu gut geworden, um immer noch unfassbar zu sein. Sie sind jetzt sehr gut, aber fassbar. Und das macht den Abend nostalgisch, weil er an alte Zeiten rührt, vor allem, wenn die Band "Green Gloves" oder "About Today" spielt, die eben tiefer gehen als "Light Years" oder "This Is The Last Time".
Songs wie diese finden zu viel Einzug in die Setlist, die zwar eine der besten der Tour, aber immer noch unausgewogen ist. Eine mitunter lieblos zusammengestellte Sammlung der Singles der jeweiligen Alben, die oft bei Weitem nicht die besten der jeweiligen Periode sind, und sich oft auch ähneln, wie zum Beispiel "Day I Die", "The System Only Dreams In Total Darkness", "You Had Your Soul With You" und "Graceless". Irritierend ist zudem, dass "Terrible Love", ein Song der live normalerweise richtig umwerfend ist, von solch einer Energie, dass den Zuhörer*innen die Ohren schlackern, in einer extrem uninspirierten Soft-Rock-Version gespielt wird und erst zum Ende hin fahrt aufnimmt. So kommt im Gesamteindruck wenig Flow oder Tiefe auf, es ist begeisternd, aber eher wie ein richtig guter Film, nicht wie ein tiefgängiges Konzert. Es ist ein schmaler Grat: The National bescheren einen sehr, sehr guten Konzertabend, aber eben ein bisschen zu gut, um so richtig aufrüttelnd zu bewegen wie früher.