Konzertbericht
The Menzingers
Rein atmosphärisch fällt ja zumindest die Anreise kaum auf: Dunkelheit dank feuchtem Januarwetter schon am späten Nachmittag – Check. Von Spackos gesäumte Reeperbahn – Check dank nebenan stattfindendem Auftritt von Schlagerquietsche Mia Julia. Die Bedingungen sind also an sich geschaffen, wenn pünktlich zum Ende der Sportschau Mannequin Pussy vor das schon beachtlich gefüllte Grünspan treten. Diese erweisen sich eigentlich als beste Alternative für diejenigen, die keine 30 Euro für die kommende Distillers-Reunion ausgeben möchten, erhalten aber dennoch verhältnismäßig gediegene Reaktionen.
Mag natürlich daran liegen, dass der aufbrausende Riot-Grrl-Punk dann doch nur so halb zu einem Abend passt, der dermaßen im Zeichen melancholisch-bierseliger Männerromantik steht. Dies noch mehr als bei den Menzingers bei Spanish Love Songs, die wohl für so manchen der eigentliche Kaufgrund für das Ticket waren. Das Quintett aus L.A. hat sein neues Album "Brave Faces, Everyone" zwar schon vor der Veröffentlichung auf dem Merch-Tisch liegen, die Setlist dann aber doch mehr um den wohl bis auf Weiteres unerreichbaren Vorgänger "Schmaltz" konzentriert. Da "Brave Faces, Everyone" dem jedoch – Spoiler Alert! – kaum hinterher steht, sollten SLS sich wohl in nicht allzu ferner Zukunft schon auf den eigenen Headlinerslot im Grünspan freuen dürfen, wenn nicht sogar in noch größerer Location.
Noch gehört der Abend aber dann doch den Menzingers, die ihre Europatour gerade erst beginnen und dementsprechend euphorisch wie motiviert sind. Da das aktuelle "Hello Exile" aber schon die Feuertaufe diverser US-Tourneen bestanden hat, spielt die Band dessen Highlights wie "Anna" (Der Opener der Show) oder "America (You're Freaking Me Out)" routiniert herunter wie die Klassiker des Durchbruchsalbums "On The Impossible Past". Überhaupt stehen die dynamisch gesetzteren, melancholischeren Songs der letzten Alben den Menzingers insgesamt besser zu Gesicht als der ungestüme Punk; dem Heartland-Rock steht die Band seit jeher nicht nur geographisch näher als dem California-Melodycore. So fasst kaum eine Songzeile die grundlegende Stimmung des Menzingers-Rock besser zusammen als where are we gonna go now that our twenties are over? aus "Tellin' Lies", das treffenderweise den Kern des Sets bildet: Weder cool noch rebellisch sind wir noch, aber hey, das ist auch gut so. Kaum jemand, der sich nicht spätestens bei "Lookers", dem ähnlich melancholischen Abschluss des regulären Sets, freundschaftlich in die ausgeblichenen Bandshirts der mitgebrachten Kumpelstruppe drückt – und wer keine Freunde dabei hat, findet neue.
So ist dann die ausgenüchterte Semi-Ballade "After The Party" nicht nur musikalisch der passende Rausschmeißer, denn nach den beendeten Zwanzigern endet die Party dann eben doch meist schon nach einem typischen Konzert-Curfew. Wenn das Grünspan aber dann eben doch um Zehn die Konzertgänger gegen die Disco-Crowd austauscht, kann auch der ermüdetste Mittdreißiger noch beim Post-Konzert-Bier auf vergangene Zeiten anstoßen. Insofern dann doch mal komplett ironiefrei: Danke Grünspan, für deine unpunkigen Anfangszeiten. Und danke Spanish Love Songs, danke Menzingers. Aber das versteht sich wohl von alleine.