Konzertbericht

The Blood Arm


Das mit dem Montag ist ja so eine Sache. Nach feuchtfröhlichen Wochenenden ist er nicht selten der harte Start in die Woche, die ätzende Rückkehr in den Alltag und außerdem fast überall Ruhetag. Glücklicherweise nicht im kleinen Café Central. An diesem Abend hieß es: Drei sympathische Jungs, die über ihre Witze selbst am meisten lachen, treffen auf optischen Latinostar mit emotionalen Anfällen. Dem Amüsement stand nichts mehr im Wege.

Mit deutschsprachigem, "melodramatischem Pop" und einem guten Esslöffel Elektronischem starten Mikroboy auf der kleinen Bühne vor einer kleinen Hand voll Menschen. Auf den ersten Blick nichts Neues, denkt man sich, wenn man so dasteht und ein bisschen mitwippt. Hört man genauer hin, fällt auf, dass ihre Musik mit den ein oder anderen interessanten Elementen gespickt ist. Sei es mit dem endlich-mal-nicht-nur-0815-Drumrythmus oder den oft sphärisch-elektronischen Hintergrundmelodien. Zwischen den Songs reißen sie Sprüche, um die Stimmung aufzulockern. Allerdings wäre die Wahl mit Nicht-Insidern wohl etwas besser gewesen. Aber immerhin hatten sie selbst ihren Spaß, das Publikum ja irgendwie auch, denn sympathisch wirken sie allemal, wenn die drei mit breitem Grinsen da oben stehen.

Ein adrett gekleideter junger Kerl, ganz indie in schwarzer Karotten-, äh, Röhrenhose, schwarzem Hemd und weißem Schal hüpft auf die Bühne und plappert wie ein englischer Wasserfall. So oder zumindest so ähnlich redet er über einen durchdrehenden und vom Teufel besessenen Hund. Irgendwie hat das alles ein bisschen Marktschreierstyle. Es hat jedenfalls was. Kaum ist er verschwunden, erscheint die Stimme von The Blood Arm auf der Bühne. Heute ist der Tag der viel zu engen Hosen, denke ich mir, als der südländisch ausschauende Nathaniel seine Hüften schwingt – und das ist absolut wörtlich zu nehmen – während er die Arme in die Luft reißt. Latinocharme meets circa 20 Festivalbändchen. Ein interessanter wie amüsanter Anblick. Nach ein paar Songs trete ich für eine kurze Zeit völlig in Gedanken weg. "What´s your name?" ertönt durch die Boxen. So schnell konnte ich gar nicht feststellen, dass Nathaniel von der Bühne sprang. Er steht neben mir und legt den Arm um meine Schultern. Nach einigen Sprachproblemen ("Stessi?") widmet er den nächsten Song natürlich einzig und allein mir. Der erste Sänger, der das tat. Allerdings wohl auch der erste Sänger, der durchs Publikum läuft, das Mikrokabel hinter sich herschleifend, bis nach hinten zur Bar, sich einen Stuhl nimmt, ihn in die Menge stellt und darauf die laute, fröhliche Hymne "Oh my love" trällert. Wenn das nicht göttlich ist! Nebenbei klettert er auf die provisorisch auf Getränkekästen gestapelten Boxen, setzt sich auf die höhere, ließ seinen Oberkörper samt Kopf aber auf die niedrigere daneben plumpsen. Die Kopf-über-Stellung hindert ihn auch nicht daran, den Song makellos weiterzusingen. Die hübsche Keyboarderin lächelt stets, der Gitarrist allerdings so gut wie nie, so vertieft ist er in die Saiten.
Nathaniel besucht uns nach dem nächsten Song wieder in der kleinen Menge. Nachdem er alle zum Hinsetzen auffordert, herrscht so manches Zögern im Publikum. Doch wir geben nach und machen mit. Nathaniel selbst sitzt ebenfalls – mittendrin. Und er singt. "Angela" kommt von ganz tief unten. In den finalen Tönen schließt er die Augen, verzerrt seine Augenbrauen – und lässt sich nach hinten fallen. In meinen Schoß. Ich fühle mich heute als Zielscheibe interaktiver Einlagen. Und finde Gefallen daran. Da liegt er, regungslos. Der Schweiß fließt. Er verweilt dort, bis die letzen Töne der Instrumentalisten erlischen.
Nach dem vorerst letzten Song gibt es noch einen Song als Zugabe.

Wer die Band bis zum Konzert nicht kannte, für den wird die Musik als solche wohl eher zur Nebensache. Ich wage es, The Blood Arm als die wohl interaktivste Indieband, die man vor die Augen kriegt, zu betiteln. Und als besten Start in die Woche.

Stefanie Graze