Konzertbericht

Shearwater


Dass man das nochmal würde sagen können: Shearwater scheinen die letzten Jahre beinahe überpräsent in Hamburg gewesen zu sein. 2008 der Gig im Club formerly known as Nachtasyl, der laut Augenzeugenberichten wohl neue Intimitätsrekorde setzte, im Mai 2009 dann der erste Gig im Knust, dem nach einem knappen Dreivierteljahr nun bereits der nächste folgte. Der kurze zeitliche Abstand zwischen den Konzerten sollte dann auch der Grund gewesen sein, warum eine Band, deren Album nun schon zum dritten Mal in Folge berechtigt exzellente Kritiken erfahren hat, einen Club nur ganz ordentlich füllen kann, den neuerdings so gut wie jede andere ausverkauft. Oder ist sich der Feuilletonist doch zu fein, samstags auf ein Konzert zu gehen?

Egal – wer trotzdem da war, konnte sich zuvor auf jeden Fall erstmal einen Witz von einer Vorband anschauen. Einen beabsichtigten allerdings – David Thomas Broughton. Was zuerst wie ein 08/15-Songwriter mit Gitarre und Kastratenstimme wirkte, erschien auf den zweiten Blick als ein Songwriter mit Gitarre und Kastratenstimme, der seinen Sound dadurch ergänzte, dass er sich selber aufnahm und im Hintergrund abspielte. Auf den dritten Blick wiederum ergab sich ein Eindruck, der die Beschreibung eben noch um das Attribut „tollpatschig“ ergänzen müsste: Alle Nase lang verheddert sich Broughton im Gitarrenkabel, kämpft mit dem zweiten Mikrofonständer und dergleichen mehr. Scott Matthew meats Mr. Bean quasi. Erst, als Shearwater zum letzten Song auf die Bühne kommen und ein chorales joke, joke, you're a joke, joke anstimmen, zeigt sich, wie geplant die Skurrilität dieser Performance dann doch war.

Witzig wäre es gewesen, wären Shearwater gleich im Anschluss auf der Bühne ihr Set begonnen, nach dem Motto – „So geht es richtig und professionell“. Diesen Witz erlaubten sich die Beteiligten dann doch nicht – richtig und professionell wurde es nach kurzer Umbaupause trotzdem. Begonnen wird mit dem sogleich einlullenden „Landscape At Speed“, bevor bereits an zweiter Stelle mit „Castaways“ der vielleicht beste Song von „The Golden Archipelago“ folgt – live fast noch flehender, druckvoller und euphorischer als auf dem Album.

Wenn als nächstes dann mit „Meridian“ der gehauchte Opener des Albums nachgeliefert wird und sich Jonathan Meiburg zu „Black Eyes“ erstmals ans Klavier setzt, lässt sich zum ersten Mal eine gewisse Fixierung auf aktuelles Material erkennen – was aber kaum stört, da „Rook“ und „Palo Santo“ in den letzten Jahren ja auch schon desöfteren vor Hamburger Publikum präsentiert wurden und auch an diesem Abend nicht ganz vergessen werden. Schließlich blüht beispielsweise ein „Rooks“ fast noch schöner auf, wenn es zwischen die Ausbrüche von „God Made Me“ und das kaum minder schöne „An Insular Life“ platziert wird. Und spätestens nach den drei Zugaben war dann wohl jedem Besucher auch egal, was da jetzt genau gespielt wurde. Nur den Ein-Jahres-Rhythmus, den dürfen Shearwater gerne beibehalten.

Jan Martens