Konzertbericht
Massive Attack
So sind die Auftritte des Kollektivs aus Bristol seit jeher kaum ohne eine ausgeklügelte, inhaltsreiche Liveshow denkbar, die oft zudem auf die jeweilige Landessprache des Publikums zugeschnitten ist. Auch das Berliner Publikum wird so zunächst einmal mit einem freundlichen "Hallo. Wie geht's?" begrüßt, bevor zur "Hymn Of The Big Wheel" Fragen zum Sinn des Lebens über die Lichterwand flimmern. Dass zu diesem Zeitpunkt noch die Sonne über der Zitadelle Spandau scheint, passt durchaus zu diesem eher harmonischen Einstieg – dennoch erfreulich, dass die Open-Air-Location zu diesem Wochenendtermin ausnahmsweise bis in die Dunkelheit hinein bespielt werden darf.
Das restliche Set wird nämlich nicht nur von einer Beleuchtung, die zwischen sterilen Schwarz-Weiß-Tönen und einem bedrohlichen Rot changiert, sondern wieder einmal von verschiedensten ernsten Themenkomplexen bei der Licht-/Videoshow bestimmt, sei es ein Funk-Transkript eines Armee-Einsatzes oder eine Aufzählung zerstörter Bibliotheken und anderer Kulturgüter der Weltgeschichte. Gerne jedoch mit einem Augenzwinkern: In einer Liste von Parteien, also auf Englisch Partys der Welt, dürfen auch Spaßparteien und Wortspiele wie "Pizza Party" oder "After Party" nicht fehlen; wenn zu "Angel" Nachrichten-Headlines eingeblendet werden, mischen sich auch Meldungen zu Jogi Löw oder Ed Sheeran zwischen Brexit- und Israel-Schlagzeilen.
Dennoch bleiben die politischen Aussagen an diesem Abend so subtil – selbst die wieder einmal als Vorband eingesetzten Young Fathers, die Massive Attack bei zwei Songs der bunt aus allen Phasen der Bandgeschichte zusammengestellten Setlist unterstützen, unterlassen ausnahmsweise ihre Israel-Kritik und beschränken sich auf ihren mitreißenden, drum-lastigen Hip Hop –, dass das expliziteste Statement diesmal die Setlist bleibt: "Teardrop", der wohl größte Mainstream-Erfolg der Band, bleibt aus. Das wird wohl so mancher als Kuriosum einer ansonsten wieder einmal beeindruckenden audiovisuellen Inszenierung mit nach Hause nehmen. Schlussendlich ist Musik vielleicht auch immer politisch – aber vorrangig eben Musik.