Konzertbericht

Madrugada


Zwanzig Jahre ist ihr Debüt "Industrial Silence" nun alt – Anlass für die eigentlich aufgelösten Madrugada, sich wieder zusammenzufinden und gemeinsam dieses Jubiläum zu betouren. Gleich zwei Mal führt sie dies nach Berlin. Einmal zu Beginn der Tour im Februar in das kleine Columbiatheater und nun, acht Wochen später, in die danebengelegene circa fünfmal größere Columbiahalle. Beide Shows sind ausverkauft – ein Zeichen des noch immer massiven Ansehens, welches die Norweger hierzulande genießen. Zudem ist Berlin ein Heimspiel: Eine Weile lang lebte die Band hier.

Im direkten Vergleich der beiden Shows – die Setlist ist nahezu identisch – lassen sich so einige, massive Unterschiede feststellen. Ist das Columbiatheater ob seiner Größe und des nach unten abfallenden Parketts die auf den ersten Blick "nettere" Location, gewinnt auf den zweiten in allen belangen die Halle, denn: Wenn es im Theater voll ist, ist es voll. Unangenehm voll. Die Columbiahalle sorgt hingegen für einigen Platz, nicht zuletzt dank der Emporen, die so einiges an Gedränge ersparen.

Zudem sind Madrugada an diesem Ostersamstag deutlich eingespielter und besser aufgelegt als im Februar. Schon nach den ersten drei Stücken der "Industrial Silence", welche Abend für Abend komplett, wenn auch in veränderter Reihenfolge gespielt wird, ist klar, das hier Musiker und Ort perfekt zusammenpassen. Der Sound ist massiv, druckvoll und klar, wovon nicht nur Madrugada profitieren, sondern auch Hope, die an diesem Abend eröffnen und sich etwa eine halbe Stunde mehr als ordentlich präsentieren.

Bedingt durch die Spielfreude Madrugadas arten einige der "Industrial Silence"-Stücke, sowie auch der "Zugaben" regelrecht aus und sorgen so für ein Erlebnis, welches das pure Hören aus der Konserve nicht bieten kann. Selbst die vielen, manchmal recht langatmigen Balladen des Albums erklingen so mindestens gut und Sivert Høyems einmalige Stimme, mit der man auch norwegische Telefonbücher vorsingen und es großartig klingen lassen könnte (wobei nicht ganz klar ist, ob Høyem das nicht in "Norwegian Hammerworks Corp." sowieso macht), kommt voll zur Geltung. Das, was die Band an diesem Abend dem Publikum geben möchte, bekommt sie auch zurückgespiegelt: Schon ab den ersten Takten ist die Freude vieler, ihre alten Helden nochmal zu Gesicht zu bekommen, groß. Wenn man sich umblickt, merkt man, dass so viele neue Fans im Jahrzehnt der Abwesenheit nicht hinzukamen und ein Großteil der Anwesenden älter sind als die Band selbst. Selbiges gilt im Übrigen auch für "Industrial Silence" selbst, welches zwar erst jetzt zwanzig geworden ist, aber im Grunde schon immer so klang, als wäre es zwanzig Jahre oder älter.

Etwas mehr als eine Stunde nimmt das Album ein, eine weitere Stunde spielen sich die Norweger durch ihren restlichen Backkatalog. Vom als "schwierigem zweiten Album" bezeichneten und für viele als das Highlight der Bandkarriere angesehenen "The Nightly Disease" gibt es "Black Mambo", "Hands Up I Love You" und das überraschend laute "Only When You're Gone" und nicht von wenigen sicher den Wunsch, dieses Album zum nächsten Jubiläum komplett darzubieten. Dazu, na klar, die Hits: "Majesty", "The Kids Are On High Street", "What's On Your Mind" und das andächtige "Valley Of Deception" zum Abschluss dieses durch und durch gelungenden Abends.

Klaus Porst