Konzertbericht

Jens Friebe


Au weia. Das war wohl der erste Gedanke, den man hatte, als man das leergefegte Café Central betrat. Über eine Stunde nach Einlass waren gerade mal knappe 10 Leute da. Man hoffte. Und wurde erhört: 40 Minuten nach offiziellem Beginn ertönten die ersten Klänge der Vorband Woog Riots, und ein paar Dutzend Leute (wo auch immer sie nun plötzlich alle herkamen) sammelten sich vor der Bühne. Mit obligatorischer Diskretion, versteht sich. Doch was man da sah, war recht ungewöhnlich: eine kleine Sammlung seltsamer Instrumente türmten sich vor Sängerin Silvana Battisti. Man war gespannt. Battisti und Gitarrist Marc Herbert jedenfalls gaben ein herrliches Gesangsduo ab, und spätestens als Bassist Mathias Hill mit einer Tröte und lustigen Blicken neben Schlagzeuger Flavio Steinbach auf der Bühne herumhampelte, war klar: das kann keine gewöhnliche Band sein. Bestätigt wurde dies durch die beeindruckende Vielfältigkeit Battistis: neben einem Mini-Casio und Percussion kamen eine Melodica, ein Stylophone aus den 70ern und eine – Achtung – Säge zum Einsatz. Grinsen und Heiterkeit machte sich in den Gesichtern der Zuschauer breit. Schon nach kurzer Zeit schloss man die vier sympathischen Darmstädter ins Herz. Die melodischen, irgendwie knuffigen Gute-Laune-Songs mit 60er Beat und einfachem Gesang, manchmal simpel aber immer genial, machten einfach Spaß, und es hätte noch viel länger dauern können. Doch das eigentliche Headschmankerl des Abends saß schon hinter der Bühne, beziehungsweise geisterte durch das Café Central.

Bereits wenige Minuten später sah man einen großen, dünnen Mensch mit Gitarre auf der Bühne stehen. Jens Friebe war also startklar. Dachte man zumindest. Bevor es losging, wurde auf der Bühne erst mal einige Minuten Bandplausch gehalten. Diese bestand neben Jens Friebe an Gitarre und E-Piano lediglich aus Bassistin und dem aus den 60ern entsprungene Schlagzeuger Chris Imler – ja, der Abend war sehr retrolastig – welcher in Jogginghosen, Hemd, Krawatte und Hornbrille hinter einem Schlagzeug in Minimalstausführung saß.

Nachdem die Lichtverhältnisse aufgrund der geblendeten Bassistin reduziert wurden, fiel noch ein ironischer Kommentar von Jens Friebe über die eigene Nasalfalte. Gegrinse und Gelächter, das Eis war gebrochen, es konnte also endlich losgehen.

Der wohl eleganteste Schlagerindiepopper, immer mit leicht gehobenem Kinn, bewegte sich zu seinen Songs ruhig bis discomäßig. Disco. Ja. Das scheint eindeutig Herrn Friebes Ding zu sein. Nicht nur einmal sah man ihn ohne Gitarre auf der Bühne stehen, singend und selbstverständlich elegant aber ausgelassen tanzend zu einem Elektroplayback wie bei "Bungeeseil". Herrlich, es gab also auch was fürs Auge.

Wer Jens Friebes Musik kennt, weiß, dass seine Texte ab und an durchaus fragende Blicke auslösen könnten. So zum Beispiel bei der Ankündigung von "Theke mit den Toten". Seine Einstellung – Herr Friebe ist überzeugter Vegetarier – kommt hier ganz klar raus. Die ein oder andere Augenbraue im Publikum hob sich, aber Jens wäre nicht Friebe, würde er das einfach so hinnehmen. Der erste Akkord war schon gespielt, als er sich mit einem "Was heißt denn hier 'Ach du liebe Zeit'?" einem Mädchen zuwandte, welches wohl etwas mehr als nur eine Augenbraue gehoben hatte. Doch wirklich krumm hatte er ihr das nicht genommen, und das Programm ging genauso heiter weiter, wie es begonnen hatte.

Die Setlist bestand aus viel Altem wie auch Neuem, auch wenn sie nach einiger Zeit nicht mehr eingehalten wurde, was Jens Friebe gar nicht aufgefallen wäre, hätte die reizende Bassistin Julie Miess nicht das komplette Publikum dezent darauf hingewiesen. Macht aber gar nix, der Abend zeichnete sich vor allem durch die Lockerheit aus, und wer macht sich schon was aus Reihenfolgen. Weiter ging´s und man genoss die poppigen Schlagerelektrotöne bis zum Ende. Und weg war er.

Doch bei einer – zuvor selbst angekündigten – Zugabe blieb es nicht. Ein drittes Mal sprang er graziös auf die Bühne und gab seine Discotanzeinlagen zum Besten. Und seine Stimme natürlich. Und seine Klavierkünste. Und seinen Charme. Ach Jens, lass es noch nicht vorbei sein. Doch irgendwann verließen auch ihn die guten Lawinenhunde, und man fand ihn schon kurze Zeit später an der Bar stehen, wo er sich eine Flasche – war es Weißwein? – bestellte. Na dann Prost und hoffentlich auf ein nächstes Mal! Oder Jens, "wär das nicht geil?".

Stefanie Graze