Konzertbericht

Clueso & Band


Die Coolness-Polizei der Alternative-Nation fahndet schon seit geraumer Zeit nach dem sich über die Jahre ordentlich herausgeputzten Clueso. Darf man an dem mit allerlei Feinheiten garnierten Pop des Erfurters denn auch dann Gefallen finden, wenn ansonsten die komplette Sonic Youth-Discografie das Plattenregal dominiert? Es scheint bei den ganz ganz coolen Kids noch immer anzuecken, dass Clueso bei Stefan Raab und Konsorten ordentlich abgeräumt und schon Herbert Grönemeyer auf dessen Tour begleitet hat.

Dass zudem die Y-Chromosomen sich an diesem Abend im Pier 2 deutlich in der Minderheit befinden, bildet weiteres Futter für nämliche Fraktion. Nun, möge es ihr den Magen verderben. Sicherlich sieht Clueso mit seiner Out-of-Bed-Frisur für viele Weibchen wie der verpeilte, knuffige Surferboy und Nachbarsjunge aus. Und womöglich hätte das Konzert daher ob Platzmangel nicht vom Modernes ins deutlich größere Pier 2 verlegt werden müssen. Aber, mein Gott. Siehe Akte: Incubus. Aus Erfahrung daher die Frage: Ist das wirklich ausschlaggebend?

Nun, der Support Makabu ist es das, denn die Jungs dürfen sich über die vierstellige Besucherzahl freuen. Ihr eingängiger, oft ausbrechender und selten biederer Pop-Rock stützt sich mit einem Bein auf Snow Patrol, mit dem Anderen auf Bush – stolpert aber dabei nie. Quittiert wird er mit ordentlich Applaus abseits obligatorischer Höflichkeit und nicht mal eine viertel Stunde später gleitet Clueso's sechsköpfige Band mit Live DJ, Posaune und smarten Jazz-Intro hinein in "Augen auf". Clueso tänzelt über die Bühne, wirkt gelockert natürlich und überzeugt stimmlich auf ganzer Linie. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – der von Grund auf sympathische Erfurter nicht nur Fluchtpunkt der Lichtshow ist, bemüht sich Clueso stets zurecht um den Eindruck, nicht auf eine Soloshow geladen zu haben.

Denn so feinfühlig, wie die Band beispielsweise das ohnehin grandiose, weil auf Akustikgitarre reduzierte "Gewinner" live zur beatbasierten Klaviernummer umarrangiert, ist schlicht gesagt beeindruckend. Meist hält sie sich zurück, spielt im ersten Drittel des Konzerts vor allem das Kontingent der neuen Platte "So sehr dabei". Einigen Songs fehlt es an Backings – vor allem das sich gerade durch diese auszeichnende "Bleib' hier". Schade, aber verschmerzbar. Nach einer halben Stunde folgt eine Umbaupause, von der Clueso verspricht, sie reiche nicht mal für eine Zigarette. Er behält recht. Mit Mini-Drumset, Wohnzimmerlampe und ein paar Barhockern geht es weiter mit einigen Akustiksongs – schon das Anfangspicking des von Clueso selbst gespielten "Barfuss" stellt die Weichen der akustische Exkursion auf Erfolg durch Gemütlichkeit.

Im letzten Drittel folgen dann die großen Knaller "Mitnehm", "Chicago" und natürlich "Keinen Zentimeter". Aber auch die Jam-Nummer "Geisterstadt" – erklärtes Lieblingsstück der Band – schafft es in die Setlist. Am Ende gibt es für Fans erster Stunde sogar noch "Auf und Ab" vom Debüt und für den Rest ein irrsinniges Gitarrensolo. Nach dem wehmütigen Titeltrack des neuen Albums schon nach Hause? Nix da. Die Band kommt mehrmals wieder, schüttelt noch ein paar lässige Reggae-Tracks aus dem Ärmel und nach verschwindet nach satten zwei Stunden Spielzeit. Nix vergessen, alle glücklich.

Kein Wunder, dass Erfurt's most finest schon vom Goethe-Institut auf ausgedehnte Tour nach Italien, Australien und Neuseeland geschickt wurde. "So sehr dabei"? Na klar. "Gute Musik"? Aber hallo. Längst überfällig: Verfahren einstellen, Fahnder suspendieren, Akte schließen.

Gordon Barnard