Konzertbericht

Bonobo


Unwissenheit ist ein Segen. Wissen wir spätestens, seitdem der gute Cypher aus dem Kultstreifen The Matrix seine Crew verrät, um lieber ein Dasein in glücklicher Dummheit zu fristen, als sich mit der grausamen Realität zu beschäftigen. Gut, im Film ging das Ganze mächtig nach hinten los. Wer aber frei von Erwartungen ist, erlebt Aha-Effekte. Für diesen Abend hieß das: Wer sich im Vorfeld das Hirn darüber zermatert, wie Simon Green seine Platten zwischen Turntables und Bandsound aufs Parkett zaubern will, malt sich schon konkrete Bilder aus. Wer mit leerer Leinwand antanzt, hat's besser.

Umso größer dann das Staunen, wenn die geräumige Bühne der Hamburger Fabrik vor Instrumenten und Musikern praktisch platzt. Ja, Simon Green wagt's: „Black Sands“, das weltoffene und jüngste Zauberstück des Multiinstrumentalisten, DJs und Produzenten soll mit all seinen Facetten auf die Bühne. Sich da allein mit zwei Plattentellern hinstellen? Soll der Durchschnitt machen. Green würfelt sich lieber eine tierisch begnadete Band zusammen und pokert mit hohem Einsatz. Die Belohnung ist der Jackpot, ein Live-Set wie eine seltene Offenbarung. Denn Bonobo gelingt es souverän, den schwindelerregenden Balanceact auf dem Drahtseil zu meistern, das DJ-Set und Jam-Session verbindet.

Da fließen E-Beats und Violinen in „Kiara“ geschmeidig ineinander, als hätte sie jemand einst füreinander erfunden. Da legt sich in „The Keeper“ Andreya Trianas rauchige, mit einem Füllhorn voller Soul übergossene Stimme über eine seichte Jazz-Gitarre – und so manches Auge ergießt ein Wässerchen. Der Sound ist ein Chamäleon, stets deckungsgleich mit diesen so farbenfrohen Songs und immer passgenau zur warmen Lounge-Atmosphäre. Und der Meister selbst? Legt mit seinem Bass das Fundament, bleibt der Puppenspieler im Backstage-Bereich, der über alles wacht. Wohlgemerkt hat Green diese Platte fast im Alleingang eingespielt, er hätte hier auch mit der ersten Geige, dem Saxophon oder eben dem Mischpult die Blicke auf sich ziehen können. Und genau weil hier nie irgendjemand sein Ego füttert, sondern stets das Bandgefühl Alpha und Omega ist, spielen Bonobo als Live-Act in der Champions League.

Gegen Schluss des klar „Black Sands“ zelebrierenden Sets jammen Bonobo den verträumten Titeltrack fast komplett an die Wand. Und finden dann nach Schlagzeugeskapade doch wieder zum Grundgerüst zurück. Wäre es hier still, das Herunterklappen der Kinnladen wäre nicht zu überhören. Und guck an: Das war kein Traum, alles echt. Spagat geglückt, Resultat: Wegweisend.

Photo: Pressefreigabe Verstärker Medienmarketing

Gordon Barnard