Konzertbericht
Porcupine Tree

Es sollte der Abend eines Generationentreffens der Progrockinstitutionen werden. Auf der einen Seite die Jungspunde von Oceansize, die mit zwei hervorragenden Alben frischen Wind in ein angestaubtes Genre gebracht haben und auf der anderen Seite Porcupine Tree. Die von Kritikern hochgeschätzte Band um Mastermind Steven Wilson schaffte mit ihrem aktuellen Album „Deadwing“ endlich den lange erwarteten Durchbruch und bereist nun das Festland. Das Ganze findet dann auch noch in der Laiterie statt, die prädestiniert für guten Sound ist. Können da die Voraussetzungen eigentlich noch besser sein für einen guten Konzertabend?
Erstaunlich ist erst mal, dass Oceansize offenbar doch noch nicht so groß sind, um sich eigene Roadies zu leisten. Da legt die Band noch selbst Hand an und hat offensichtlich Probleme mit der Programmierung des Laptops. Mit geringer Verspätung geht es dann aber rund. Und wie! Angefangen wird mit „The Charme Offensive“. Die Gitarren sind verdammt laut, wodurch leider das Schlagzeug zeitweise zu sehr übertönt wird. Dennoch ist der Sound druckvoll und klar. Wer beim Albumhören die Stimme von Mike Vennart als Schwachpunkt ausmachen konnte, wird live eines Besseren belehrt und auch Gitarrist Gambler kann stimmlich absolut überzeugen. Die Setlist ist sehr fordernd und bietet hauptsächlich Material vom aktuellen Album. Einzig mit „Amputee“ wird ein etwas zugänglicherer Song dargeboten. Nach gut 40 Minuten beendet man mit dem grandiosen „Women Who Love Men Who Love Drugs“ schließlich ein anstrengendes, aber auch beeindruckendes Set.
Was danach folgen soll verheißt allein die Enthüllung der Instrumente. Auf Hochglanz poliert und einfach nur herrlich anzuschauen. Im Hintergrund wird eine Leinwand heruntergefahren. Visuals hat man also auch im Gepäck. Vorfreude wechselt zu kindlicher Ungeduld über und der Blick wandert im Minutentakt zur Uhr. Dann ist es schließlich soweit. Unter tosendem Beifall betreten Porcupine Tree gut gelaunt die Bühne und legen sogleich mit „Open Car“ los. Der Sound kommt wie eine Urgewalt über das Publikum und gibt dem Wort „perfekt“ eine ganz neue Bedeutung. Das Adrenalin steigt bei jedem einzelnen Ton, man kommt sich vor wie auf Droge. Als nächstes spielen sie doch tatsächlich auch noch „Even Less“, den Übersong, welchen sie auf der Deutschland Tour noch zugunsten von „Blackest Eyes“ aus der Setlist gestrichen hatten. Neben mir flippen einige Franzosen bereits aus und klatschen wie Duracell Häschen. Das bemerkt auch Steven Wilson und begrüßt in perfektem Französich seine Zuhörer. Wie immer ist er natürlich auch heute barfuß auf der Bühne unterwegs und sieht keinen Tag älter als 25 aus. Progrock als Verjüngungskur?
Zumindest für den heutigen Abend scheint dies durchaus zutreffend. Mit einer unglaublichen Spielfreude bieten die fünf Herren um die 40 und darüber eine Musikshow, die einfach nur sprachlos macht. Allen voran Drummer Gavin Harrison, dessen Spiel alleine schon ein Erlebnis für sich ist. Die Setlist konzentriert natürlich im Wesentlichen auf das aktuelle Album. Davon aber einen schönen Abstrich von laut und krachig („Deadwing“, „Halo“) bis gefühlvoll und atmosphärisch („Lazarus“, „Arriving Somewhere But Not Here“). Einige Highlights wie das überragende „Buying New Soul“ oder „The Sound Of Muzak“ runden das Ganze ab. Nach 75min geht de Band dann kurz von der Bühne um für „Radioactive Toy“ und „Trains“ noch einmal alle Register zu ziehen. Kurz vor Schluß wird dem überraschten Geburtstagskind und Keyboarder Richard Barbieri sogar ein Ständchen gesungen. Schöner hätte der Abend kaum zuende gehen können. Das denken sich auch Porcupine Tree, fallen sich in die Arme und nehmen mit Freude den minutenlangen Applaus entgegen. Auf der Heimfahrt können wir uns dann nicht einigen, welcher Song und welcher Musiker nun am Besten war. Eins steht aber fest: das Konzerthighlight des Jahres war es allemal.