Konzertbericht

Gerard


Der Wiener Rapper Gerard war dieser Tage auf "Neue Welt"-Tour – etwas mehr als zwei Jahre, nachdem er mit "Blausicht" eine Platte vorgelegt hat, von der man dachte, sie könne zu seinem persönlichen "XOXO" oder "Kompass Ohne Norden" werden. Doch der Nachfolger "Neue Welt" und das nur halb ausverkaufte Gebäude 9 in Köln beweisen: Gerard ist immer noch ein Geheimtipp.

Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen ist und bleibt der Wiener Akzent in Kombination mit einem sehr eigenwilligen Flow gewöhnungsbedürftig, zum anderen biedert sich Gerard auch auf "Neue Welt" nicht wirklich der Radiotauglichkeit an – die Beats verkopft, die Texte urbane Alltagsphilosophie im besten Mike Skinner'schen Sinne.

Gerard trifft den Nerv einer Generation. Das wird deutlich, wenn man in die Gesichter der Leute schaut. Wie sie gedankenversunken einzelne Zeilen mitsingen. Das ist pure Identifikation. Ein Feuerwerk kathartischer Momente. Frisch Verliebte schauen sich zu "Manchmal" verstohlen in die Augen und lächeln, einst ineinander Verliebten bricht zu "Verschwommen" erneut das Herz.

Die Stadt wird zur Projektionsfläche der Emotionen einer gesamten Generation. Das wird nicht zuletzt bei "Atme die Stadt" deutlich. Traditionell mit Unterstützung von Jonas von OK KID erweckt Gerard immer mehr den Eindruck, dass "Blausicht" das Album ist, das Tomtes "Buchstaben über der Stadt" einst für die deutsche Indie-Landschaft war.

Als der letzte Ton von "Lissabon" verklingt, drängt sich die Realität der Stadt wieder auf. Im Kopf hallen bedeutungsschwanger Textzeilen nach: "warten auf den Klick-Moment, Nacht atmen, Ego füllen; 'Alles wird gut' auf den Lippen tragend, weiterziehen, weiteratmen".

Andreas Peters