Interview

Port O'Brien


Wir trafen Van Pierszalowski von Port O´Brien nach ihrem Auftritt beim Haldern Pop Festival. In bester Redelaune erzählte er vom Leben auf hoher See in Alaska, warum wir es quasi Green Day zu verdanken haben, dass Port O´Brien überhaupt Musik machen, und warum R. Kelly eigentlich viel cooler ist als jeder Rock-Star. Lest einfach selbst.

Zuerst einmal: Es war eine sehr schöne Show, die ihr gespielt habt. Ich mochte die Stimmung, eure Musik im Sonnenschein. Mochtet ihr es auch?

Van: Danke. Ja, es hat Spaß gemacht! Es war die erste Show auf unserer Tour. Wir versuchen immer noch, alles zu entwirren und uns vom Jetlag zu erholen. Das Wetter hilft dabei auf jeden Fall! Ich mag es zu spielen, wenn es draußen schön ist. Es war cool, und das Publikum war auch toll.

Ihr habt nun auf der Hauptbühne gespielt. Was bevorzugst du, das große Publikum oder doch eher eine schöne kleine Bühne wie das Spiegelzelt?

Van: Leider hab ich noch nichts anderes vom Festival gesehen.

Du solltest dir dort ein Konzert anschauen gehen, es ist wirklich schön. Aber das Zelt ist ziemlich klein, es passen nicht so viele Menschen rein.

Van: Das klingt für mich irgendwie besser als die große Bühne. Wenn wir in kleineren Locations spielen, ist es schöner. Man kommt mit den Leuten in Kontakt. Aber für eine große Bühne war das heute auch toll. Es ist auch manchmal toll, auf großen Bühnen zu spielen.

Was war das größte Festival oder das größte Publikum, für das ihr je gespielt habt?

Van: Das ist eine gute Frage. Ich kann mich nicht so recht erinnern... Vielleicht in Australien. Es gibt ziemlich große Festivals dort unten.

Und wo hattet ihr das kleinste Publikum?

Van: Oh, als Port O´Brien gerade begannen Musik zu machen. In Oakland, California, spielten wir ein Mal in einem Coffee-Shop. Es waren nur Cambria und ich, mit einer Akustik-Gitarre. Wir waren gerade in unserer Anfangszeit. Wir hatten es überall angekündigt, der ganzen Welt verbreitet, und dann kamen: Null Menschen!

Null? Nicht mal jemand der dort gearbeitet hat?

Van: Nicht einmal jemand von denen.

Und habt ihr ein paar Songs gespielt?

Van: Wir spielten etwa 5 Songs. Und niemand kam... und dann haben wir einfach nur gelacht. (schmunzelt) Ja, das war ziemlich entmutigend! (lacht)

Gut, dass ihr darüber lachen konntet. Es war eine Erfahrung ganz am Anfang eurer Karriere!

Van: Ja, das war es auf jeden Fall. Danach weißt du es zu schätzen, wenn Leute zu deiner Show kommen.

Zurück zu eurer heutigen Show. Ihr habt "The Fisherman's Son" gespielt. Als ich das Lied die ersten Male anhörte, dachte ich darüber nach was dein Vater oder deine Eltern tatsächlich beruflich machen.

Van: Er ist der Fisherman!

Also bist du wirklich der Sohn des Fischers.

Van: Ja! Also... mein Dad wurde in Los Angeles groß. In den späten 60ern, als er seinen Highschool-Abschluss gemacht hatte, trampte er von Los Angeles nach Alaska, über viele Umwege, und seitdem ist er jeden Sommer dort hoch gereist. Er hat sein ganzes Geld gespart und sich in den 70ern sein eigenes Boot gekauft. Seitdem ist er Fischer, schon sein ganzes Leben lang. So kam es, dass ich auch immer dort hoch fuhr und auf seinem Boot gearbeitet habe – außer in diesem Sommer... und im letzten auch nicht, weil wir da auch auf Tour waren.

Ich hab darüber gelesen, dass du jeden Sommer nach Alaska zum Fischen fährst. Vermisst du es, wenn du auf Tour bist?

Van: Ja, ja! Das tue ich! Letztes Jahr, als ich Interviews in Deutschland gab, erzählte ich jedem, dass ich es gar nicht vermissen würde! Aber dieses Jahr – vermisse ich es definitiv! Ich weiß nicht warum... es ist ganz anders.

Wo glaubst du sammelst du mehr Erfahrungen, während des Fischens oder während des Tourens?

Van: (lacht) Naja... beim Fischen verdiene ich ganz sicher mehr Geld. Es kostet eine Menge, hier rüber zu kommen... aber mehr als das... du machst eine Menge Geld mit dem Fischen! Es ist sehr lukrativ. Aber was die Erfahrungen angeht... es ist beides sehr unterschiedlich. Beim Fischen in Alaska sammelst du Erfahrungen, wie es ist, alleine und in der Natur zu sein. Auf der Tour sammelst du Erfahrungen, wie es ist, von Leuten umgeben zu sein und alle möglichen Arten von Menschen kennen zu lernen. Man sammelt viele Erfahrungen bei beidem, aber auf total unterschiedliche Weise.

Würdest du für nächsten Sommer das Fischen bevorzugen?

Van: Ich weiß nicht... es kommt drauf an. Wenn wir Angebote haben, zurück zu kommen und Festivals zu spielen, dann wäre es bestimmt hart, das abzulehnen. Aber ich würde gerne... ach, vielleicht könnte ich den halben Sommer zum Fischen gehen!

Das würde ein stressiger Sommer werden!

Van: Das wäre es definitiv. Cambria war in der Tat diesen Sommer schon in Alaska. Sie arbeitet in einer Bäckerei. Sie hat ihren Job für fünf Wochen bekommen. Sie ist erst vor einigen Tagen zurück gekommen.

Und dann hast du "Heimweh" nach Alaska bekommen?

Van: Ja, das stimmt. Ich dachte: Man, ich wünschte, ich wäre auch dort oben gewesen! Aber ich hatte viel zu tun.

Wünscht sich dein Vater, dass du auch mal Fischer wirst?

Van: Ah, das ist eine gute Frage. ER möchte es nicht, um ehrlich zu sein. Er ist der Meinung, dass ich kein Fischer werden soll. Ich denke, er würde es lieben, wenn ich zurück komme um auf seinem Boot zu arbeiten... sehr... aber das Leben als Fischer ist sehr hart. Es ist sehr stressig. Es lässt dich schnell altern. Und er bekommt nie die Welt zu sehen. Er war niemals außerhalb der Vereinigten Staaten... ich bin 24 und war schon sechs Mal in Europa. Aber er ist der Meinung, ich sollte das beibehalten.

Das Musikmachen?

Van: Ja.

Hat er dich beim Musikmachen beeinflusst?

Van: Auf jeden Fall. Er hat niemals selber Musik gemacht, aber er hat mich immer sehr unterstützt und war begeistert.

Welches Instrument hast du als Kind gelernt?

Van: Ich fing an mit der Gitarre, aber meine Eltern haben mich nie dazu gedrängt. Als ich im 4. Schuljahr war... wie alt ist man da? 7? Nein... 9 oder 10. Das war die Zeit, als Green Day ihr Album "Dookie" herausbrachten. Ich liebte es! Ich dachte, es wäre das coolste, was es geben könnte. Also kaufte ich mir eine Gitarre und versuchte, alle diese Songs zu lernen.

Cool! Magst du Green Day immer noch?

Van: Ich hab sie schon lange nicht mehr gehört. Ich dachte immer, "Dookie" wäre ziemlich cool. Und die ersten Alben davor waren ziemlich gut. Aber ich mag nicht wirklich ihre neuen Sachen. Ich würde es mir nicht mehr anhören. Ich möchte nur an sie denken, wie sie früher waren.

An deine Kindheits-Idole?!

Van: Ja! An die Zeit als sie jung und dreckig waren - herum hängen, unartig sein...

Eine andere Frage, die ich dir stellen wollte, war, welches Album du dir als erstes mit deinem eigenen Geld gekauft hast?

Van: Hm... ich mir selber... es könnte sein, dass es das gewesen ist. Aber ich erinnere mich auch an etwas von dieser Band The Crash Test Dummies gekauft zu haben als ich 9 oder 10 Jahre alt war. Ich weiß nicht, warum, aber ich mochte es wirklich gerne.

Welcher Song war das nochmal?

Van: (summt und singt:) mmhh mmmh mmmh mmhh! Once, there was this boy who...

Stimmt, ich erinnere mich! Und welches Album hast du dir zuletzt gekauft?

Van: Das war... um ehrlich zu sein, R. Kelly. "TP 3".

R. Kelly?? Also magst du R´n´B und so?

Van: Ja, ich mag es sehr! Er ist großartig. Ich weiß nicht, ob du dir jemals was von ihm angehört hast?

Naja... ich hab ihn mir mal im Radio angehört.

Van: (gespannt) Welcher Song? So was wie "I Believe I Can Fly"?

Ja...

Van: Das ist Müll!

Naja... siehst du, so kam es, dass ich ihn nicht mag.

Van: Aber... er ist... wow! Du solltest dir das Album "Double Up" anhören. Es ist sehr gut! Ich meine... die Lyrics sind lächerlich... aber er hat eine großartige Stimme. Es ist echt witzig... (lacht) Das ist es, warum ich Hip Hop mag, und R´n`B, und ich mag auch Rap. Es ist... Wirklich witzig! Weißt du... Rock-Musik, wie Indie-Rock-Musik und so... es gibt dort keinen Humor! Ab und zu kommt so jemand wie die Flaming Lips, die sind ziemlich lustig, aber in der Regel ist es ziemlich ernst. Aber im Hip Hop und Rap ist es oft urkomisch! (lacht) Es ist halt sehr humorvoll. Darum mag ich es mir gerne anhören. Es ist schwierig, witzige Musik zu machen.

Du hast Recht. Viele Rock-Musiker geben sich ziemlich cool.

Van: Ja! Sie sollten mal aus sich heraus kommen! Ja, R. Kelly hat zum Beispiel einen Song über Sex in der Küche, und einen anderen Song, der "Sex Planet" heißt, wo er darüber spricht, wie es ist, Sex im Weltall zu haben. Es ist wirklich lustig. (lacht)

Aber um Sex dreht es sich auch oft in Rock-Songs...

Van: Ja, das stimmt. Aber sie nehmen sich dabei so ernst. R. Kelly spricht davon... "You got a giant rocket...", jede Menge dirty stuff.

Ich sollte es mir mal anhören! (lacht) Also gehst du auch zu Hip-Hop-Konzerten oder in Hip-Hop-Clubs?

Van: Nicht wirklich. Ich gehe nicht oft auf Konzerte. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal auf einem Konzert außer meinem eigenen war... denn wenn du auf Tour bist, gibst du jeden Abend Konzerte... es langweilt einen irgendwann. Wenn ich nicht auf Tour bin, möchte ich einfach nur zu Hause rumhängen.

Nochmal zurück zum Fischen. Als ich darüber nachdachte, ist mir eingefallen, dass Boote Namen haben. Und dann habe ich in einem Artikel gelesen, dass das Boot deines Vaters "Shawnee" heißt. Woher kommt dieser Name?

Van: Nun... in Alaska glaubt man, dass es Unglück bringt, wenn man den Namen eines Bootes ändert. Mein Dad hat dieses Boot gekauft und es hieß schon The Shawnee. Aber Shawnee ist ein Indianer-Volksstamm, ich glaube, im mittleren Westen. Sie sind einer der letzten Indianerstämme, die noch gegen die Weißen Menschen kämpfen. Sie versuchen, die Weißen davon abzuhalten, ihnen ihr Land weg zu nehmen... aber natürlich gewinnen sie nicht. Die alte traurige Geschichte.

Wie würdest du denn dein Boot nennen, wenn du dir dein eigenes kaufen würdest?

Van: Mmmh! Hier kommt eine Geschichte: Als ich auf dem Boot meines Dads gearbeitet habe, hatte ich ein zusätzliches kleines Ruderboot. Es hat keinen Namen. Somit habe ich ihm jedes Jahr, wenn ich wieder kam, einen neuen Namen gegeben. Letztes Mal, als ich dort war, habe ich es "The Lilly Allen" genannt.

Lilly Allen? Schön...

Van: Weißt du, alle diese Boote sind nach Frauen benannt. Naja, fast alle, nicht Shawnee, aber die meisten sonst. Es gibt die "Beverly Jane" und "Miss Roxane" und "Hale Mary" und all diese Frauennamen. Denn in Alaska glaubt man, dass Boote weiblich seien. Somit dachte ich, dass Lilly Allen ein wunderschöner Bootsname wäre! Denn ich liebte ihr erstes Album. Ich hasse das neue Album! Aber ich liebte das erste. Ein Jahr vorher hatte ich das Boot "The Motherfuckin´Champ" genannt. (lacht)

Das ist ein guter Boots-Name! Wie würdest du es nächstes Jahr nennen? Oder wenn du dieses Jahr dort gewesen wärest?

Van: Wie heißt du?

Marlena.

Van: Marlena. Marlena... Ich würde es wahrscheinlich "The Marlena" nennen.

Sehr schön... Danke! (lache)

Van: Ah, es gibt übrigens einen Ort, an dem wir fischen, er heißt "The Malina Lake".

Noch eine andere Frage, wo wir gerade bei Namen sind. Mein Name kommt aus dem Polnischen, und bei deinem Namen "Pierszalowski" habe ich auch an Polen gedacht. Stimmt das?

Van: Ah! Ja! Sehr schön! (Gibt mir High-Five) Super!

Sprichst du polnisch?

Van: Nein, leider nicht. Meine Urgroßeltern kamen aus Polen nach Amerika. Felix Pierszalowski.

Vielleicht sprechen wir es verschieden aus, weil sie ihn umbenannt haben, als er nach Amerika kam.

Van: Das ist die Sache. Bei vielen der polnischen Einwanderer fragen sie: "Ah, wie heißt du?" – und dann ist der Name zu lang und die Leute bekommen einen neuen Nachnamen. Viele meiner Verwandten ließen ihn in Piers ändern oder ihn anders buchstabieren. Aber mein Name ist immer noch der gleiche wie in Polen. Mein Großvater ist sehr stolz darauf. Und er war häufig in Polen und kann polnisch sprechen, und ich hoffe auch, dass ich eines Tages dort hin reisen kann. Wir sollten dort ein Festival spielen, aber dann kam es doch nicht zustande. Aber ich würde sehr gerne mal dort hin.

Wenn du das nächste Mal in Berlin bist, solltest du unbedingt einen Trip nach Polen machen!

Van: Wir haben leider keine freien Tage... aber wir spielen eine Show in Berlin... am 26. August! Es ist eine Secret-Show, aber nicht mehr geheim, denn wir erzählen es jedem! Du solltest kommen! Alle sollten kommen! Es ist in der Bar 25!

Ich werde sehen. Soll ich dir zum Schluss noch ein Wort Polnisch beibringen?

Van: Ja! Gerne!

"Czesc!" ist das vorerst wichtigste Wort. Du sagst es für "Hallo" und für "Tschüss", so wie das italienische "Ciao".

Van: Ok. Dann sag ich mal "Czesc!"

Marlena Julia Dorniak