Rezension

Young Jesus

Welcome To Conceptual Beach


Highlights: Faith // (un)knowing
Genre: Post-Rock
Sounds Like: Talk Talk // The Districts

VÖ: 18.08.2020

Selten war eine Band gleichzeitig so sperrig und so zugänglich wie Young Jesus.

Es gibt Dinge, von denen viele Menschen Ahnung haben wollen, ohne wirklich welche zu haben. Zwei Dauerbrenner dieser Kategorie sind Philosophie und Jazz. Beides kompliziert, beides sperrig, beides ein unendnliches Feld, beides beliebt als identitässtiftendes Merkmla bei weißen Mittfünfzigern. Young Jesus schaffen es trotzdem diese beiden Monolithen in ein Album zu verpacken, das auf erstaunliche Weise Spaß macht.

Conceptual Beach ist Frontmann John Rossiters' mentales Refugiumm, ein imaginärer Ort der Zuflucht. Dort verhandeln Young Jesus Individualismus und Kollektivismus, Emotion und Ratio. Die Songs versuchen sich an existenzieller Erkenntnis, Verwirrung, Schmerz und Neugier. "Knowing's led to what I know // It comes and then it goes //Unknowing's what I've grown" singt Rossiter auf "(un)knowing" und zelebriert den Kreislauf aus Erkennen und Erkenntnis, Verstehen und Verständnis und deren Negation. 

Musikalisch stellen die Kalifornier Rossiters Reflektionen eklektische Einflüsse zur Seite. Der Gesang erinnert an The Disctricts und verbindet deren Hang zur Hymen gekonnt mit einem sehr viel tiefgründigeren Songwriting. Auf "Faith" kittet Sänger John Rossiter die Mark Hollis-Gedächtnisgitarren und das dekonstruierte Drum-Pattern in der Mitte des Songs mit seinem Stimmeinsatz zusammen, bevor er den Song in sein großes, instrumentales Finale erhebt. "Root and Crown" kommt mit Hintergrundorgelfläche und leisen Gitarren-picking aus, "Lark" dagegen zerlegt auf über elf Minuten jegliche Struktur in ihre Einzelteile, setzt die Bruchstücke neu zusammen und findet in ihnen zum Ende hin doch noch Melodien.

"Welcome to Conceptual Beach" breitet sich auf seinem losen Fundament in alle erdenklichen Richtungen aus. Die Dekonstruktion ala Bon Iver ist genauso Teil der Platte wie das Genre-Bending eines OK Computer. Young Jesus schaffen eines der seltenen Alben, die hoch gegriffene Ansprüche an Inhalt mit der Komplexität ihrer musikalischen Einflüsse zu verbinden wissen, ohne verkopft oder elitär zu wirken. Philosophie-Lesekreis und Keller-Jam lagen noch nie so nah beieinander.

Robin Jaede

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