Rezension

YOAV
A Foolproof Escape Plan
Highlights: Yellowbrite Smile // Spidersong // We Are All Dancing
Genre: World-Music // Alternativ // Singer-Songwriter
Sounds Like: Ben Harper // N.E.R.D. // Peter Gabriel // Björk
VÖ: 10.09.2010

Das ist natürlich erstmal eine Hausnummer. Yoav Sadan, kurz: YOAV, 1975 in Israel geboren, in Kapstadt aufgewachsen. Und nicht im auch heute schon mitunter gefährlichen Kapstadt, sondern im Kapstadt der Apartheid. Diese im Vergleich zu häufigeren Varianten wie London, Montreal oder Brooklyn nicht ganz gewöhnliche Herkunft eines Künstlers weckt schon von sich aus einiges an Aufmerksamkeit: So jemand muss etwas zu erzählen haben und kann eigentlich auch musikalisch nicht allzu uninteressant sein.
Und das ist YOAV vor allem live keineswegs: Allein, nur mit seiner Akustikgitarre, einer Loop-Machine und einigen Effekten bewaffnet, tritt er auf, spielt die Gitarre als Gitarre, nutzt ihren Korpus aber auch zur Percussion. So steigert er sich oftmals in ein eindringliches Sound-Inferno – ein Chaos, welches er nur durch seine warme Stimme zu besänftigen weiß. Ein mittlerweile nicht mehr ganz kleiner Kreis an Liebhabern dankt es ihm seit Erscheinen seines Debüts "Charmed & Strange" durch ausverkaufte Touren und andere kleine Erfolge wie einen Nummer-1-Hit in Russland. Vor Aufnahme dessen ging YOAV von Kapstadt nach London, um sich musikalisch mit kleineren Auftritten auszuprobieren, wurde hier immermehr durch Clubmusic beeinflusst, fand schließlich in New York einen Produzenten, ging später wieder nach London: Er ist eine Art Weltbürger, ein sympathischer Umtriebener.
Auch sein Zweitwerk "A Foolproof Escape Plan" entstand nicht an einem Ort. YOAV verbrachte Zeit in London, Südafrika sowie Venice Beach zum Jammen mit anderen Musikern, um Inspiration zu sammeln. Dabei gabelte er Joey Waronker (immerhin Schlagzeuger u.A. für Thom Yorkes Atoms For Peace, ehemals Beck, Smashing Pumpkins und R.E.M.) als Produzenten und einzige Unterstützung bei den Aufnahmen auf. Jeder Ton ist selbst geschrieben, nahezu jeder selbst eingespielt. Das Ergebnis des Ganzen ist ein spannendes Soundspektrum – nur wenige schaffen es, auf so minimalistische Art und Weise breit gefächert zu klingen: Genreüberschreitend zwischen Akustikmusik à la Josè Gonzalez, elektronischen Beats, Popmusik von N.E.R.D.; eine Art Kreuzung zwischen dem Paradebeispiel des warmen, vertrauenswürdigen Weltmusikers Ben Harper und dem legendären Soundkünstler Peter Gabriel. Klänge, die auch mal psychedelisch wummern können oder wie der "Spidersong" von der Grundstimmung sogar an Bands wie Joy Division erinnern.
Diese Musik ist dann garniert mit von Dylan & Co. inspirierten Texten, die YOAVs weltweit gemachte Erfahrungen behandeln, sich mit Problemen und Missständen der Welt auseinandersetzen: Die Selbstkritik My head is a convenience store // for the dreams and all the sweet things I adore // but once I'm in // so hard to find my way back out again aus dem elektropoppig ausufernden "We all are dancing" ist nicht das einzige Beispiel hierfür, während ein Song wie "6/8 Dream" YOAVs Musikleidenschaft dokumentiert.
YOAV macht Backpackermusik, einen Soundtrack für das Reisen. Und er macht das ganz fabelhaft, vor allem live ist er wirklich empfehlenswert und beeindruckend. Umso interessanter ist es, wie er es schafft, dieses Spektakel auf CD zu bannen, ohne dass es allzusehr an Reiz verliert. Letztlich muss man ihn von zwei Seiten betrachten: Live zelebriert er ein vielschichtiges Spektakel, während er auf Platte ein ermutigender, eindringlicher Freund ist, der seinen idiotensicheren Fluchtplan ("A Foolproof Escape Plan") hoffentlich nicht in die Tat umsetzt.
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