Was wünscht sich der Mensch im Leben? "Frieden auf der Welt", mögen altruistisch veranlagte Zeitgenossen behaupten. "Gesundheit für mich und meine Lieben" ist ein beliebter Wunsch, oder schlicht das verallgemeinernde "Glück". Rivers Cuomo, Mastermind Weezers, ist hier jedoch praktischer veranlagt, wie sich aus einem mit einer bekannten deutschen Musikzeitschrift geführten, mittlerweile über fünf Jahre alten Interview kurz nach der Veröffentlichung des Albums "Maladroit" erschließt: Wir brauchen größere Hits.Top-10-Hits. Wie die Bloodhound Gang. Ich mag Musik, über die man nicht nachdenken muss. Diese keineswegs versteckte und dadurch beinahe schon wieder sympathische Anpeilung des größtmöglichen Erfolges lassen Weezer knapp drei Jahre später erneut durchschimmern, als es über das zu diesem Zeitpunkt frisch veröffentlichte "Make Believe" heißt: Wir selber glauben an das neue Album, und doch kannst du sicher sein: Wenn es ein Flop wird, wird die nächste Platte wieder der komplette Gegenentwurf zu diesem sein.

Und ja: "Make Believe" war ein Flop, kaum ein Weezer-Fan auf Gottes Erdenrund, der dieser Ansammlung schmalziger und unendlich weichgeklopfter Formatradionummern langfristig etwas abgewinnen konnte. Die Popperlen, die von der unscheinbaren Auster Rivers Cuomo hervorgebracht wurden, hatten deutlich an ihrer ursprünglichen Schönheit eingebüßt, auch der Nerd-Charme, der insbesondere das selbstbetitelte (und blaue, um genau zu sein) Debüt durchströmte, war vollends verschwunden. Umso erfreulicher, wenn auch angesichts der Ankündigung des "kompletten Gegenentwurfs" nicht vollkommen überraschend, ist es nun, dass genau diese drollige Nerdigkeit auf dem neuesten, "roten" Werk Weezers ständig durch dicke Hornbrillengläser um die Ecke schielt und auch die nötige Selbstironie nicht vermissen lässt. So wird auf "Everybody Get Dangerous" zwar auf musikalischer Ebene durchaus überzeugend dem Hardrock gefrönt, jeglicher Versuch, sich selbst als Tough Guy zu profilieren, wird aber schon in der ersten Strophe mit einer Erinnerung an selige Kindstage komplett versemmelt: Kühe habe man da umschubsen wollen, dies schließlich aber doch unterlassen, da man das liebe Rindvieh nicht habe traurig machen wollen. Ebenso herrlich überzeichnet und dadurch unheimlich spaßig kommen auch das eröffnende "Troublemaker" sowie das darauffolgende "The Greatest Man That Ever Lived (Variations On A Shaker Hymn)" daher, in dem das lyrische Ich gleich einmal seine Rolle als Outlaw beziehungsweise - ganz bescheiden - als überhaupt duftester Typ wo gibt klarstellt.

Und während das durch sämtliche Pop-und-Rock-Gefilde wildernde und daher fast schon medleyartige "Greatest Man" dem Weezer'schen Schaffensrepertoire ein neues, gelungenes Element hinzufügt, sind "Troublemaker", "Everybody Get Dangerous" und auch die erste Single-Auskopplung "Pork And Beans" sowohl das, was man von Weezer eigentlich wollte als auch das, was Cuomo anstrebt: Poprock in Perfektion, den man durchaus mit Großhirn auf Stand-By genießen kann, der jedoch auch bei aufmerksamem Hören nichts an seiner Attraktivität verliert. Dass Cuomo jedoch auch Lieder für das eingeschaltete Cerebrum schreiben kann, zeigt sich in "Heart Songs", in dem er die Musik, die sein Leben geprägt hat, besingt, sowie im abschließenden, wunderschönen "The Angle And The One". Dass Cuomo sie schreiben kann, wohl gemerkt - Songs wie "Thought I Knew" oder "Automatic", die auf die Kappe anderer Bandmitglieder gehen und die zweite Hälfte des Albums füllen, sind allesamt eher langweilig und belanglos.

Diese Songs schmälern den Gesamteindruck des Albums zwar etwas, ändern aber natürlich nichts daran, dass andere Stücke des mittlerweile dritten selbstbetitelten Albums Charts und Herzen gleichermaßen erstürmen sollten. Und doch scheint sich Rivers auf "Pork And Beans" schon Gedanken über kommende Werke zu machen:

Everyone likes to dance to a happy song
with a catchy chorus and beat so they can sing along.
Timbaland knows the way to reach the top of the charts
maybe if i work with him i can perfect the art.

Der ultimative Masterplan für das gelbe Album? Wir wissen es nicht, wünschen Herrn Cuomo aber von Herzen alles Gute, auf dass er seinen unschuldigen Kindheitstraum des Top-10-Hits spätestens dann wird erfüllen können. Wie die Bloodhound Gang eben.

Jan Martens

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