Machen wir uns nichts vor. Jeder Versuch, diese Platte zu besprechen, ohne den Namen "Casper" zu nennen, schlägt fehl. Darum handeln wir diesen Teil doch gleich ab und nehmen direkt vorweg: die Qualität von "Die Natur Greift An" spricht für sich und hat mit dem Bielefelder Überflieger nur am Rande etwas zu tun. Dass die Husumer Jungs Caspers Vorband der letzten Tour waren, hilft jedoch, einen vermeintlichen Chart-Ansturm eines wenig massenkompatiblen Sounds in den nächsten Wochen zu verstehen.

Vor allem ist der Hinweis auf Casper aber relevant, um den Grundtenor von "Die Natur Greift An" zu beschreiben. Die Husumer Jungs lehnen sich gegen nichts auf, idealisieren nichts, sondern liefern ein modernes Coming-Of-Age-Album ab, das sich mit dem Verlassen der heimischen Idylle, dem Altern und Sterben, der biederen Tristesse und letztlich mit dem Gefühl einer Generation befasst, die irgendwie rastlos, voller Emotionen und Aufbruchstimmung ist, aber nicht weiß, wohin mit dieser Energie. Die Antwort von Vierkanttretlager auf diesen Gemütszustand: warten, harren und beobachten. Da, wo die Flensburger Turbostaat mit brachialer Punk-Ästhetik "Husum, verdammt!" schrien und Tocotronic noch Teil einer Jugendbewegung sein wollten, geht es den Frischabiturienten um nicht mehr, aber auch nicht weniger, als das Ausziehen und Erwachsenwerden und um die Dinge, die das Leben so bereithält. Textlich hat Max Richard Leßmann eindeutige Vorbilder: die Schönheit der Geschichten Sven Regeners (Element Of Crime) trifft auf die Klarheit der Sprache, wie man sie von Markus Berges (Erdmöbel) kennt. In der zweiten Hälfte wird es etwas philosophischer. Leßmann erörtert das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, nicht ohne auch hier die Selbstfindung mitzudiskutieren. Und hier scheinen die vier Husumer am ehesten bei sich selbst und so langsam die Antworten zu finden, die sie die ganze Zeit gesucht haben oder besser: auf die sie die ganze Zeit gewartet haben. In "Gib Dem Leben Keinen Sinn" heißt es konsequenterweise:

Nur ohne Zwang lockt der Gewinn //
Gib deinem Leben keinen Sinn.

Musikalisch bewegen sich Vierkanttretlager mittendrin in der klassischen deutschen Indietradition. Kettcar, Tocotronic, Element Of Crime und Thees Uhlmann hört man sowieso raus. In manchen Momenten lassen sich aber auch Delbo, die Fotos oder Turbostaat als Einflüsse erkennen – die perfekte deutsche Indie-Sozialisation und eine Band, die wirklich gut tut. Abiturienten-Indie? Vielleicht. Hamburger Schule? Ja, aber ohne diesen übertriebenen intellektuellen Anspruch, gleichzeitig aber auch komplexer als die Indie-Schrammelei der neueren Generationen deutscher Bands. Vierkanttretlager treffen den Nagel der Zeit einfach auf den Kopf. So wie im letzten Jahr ein gewisser Herr... aber lassen wir das.

Andreas Peters

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