Rezension

Tim Neuhaus & The Cabinet

Now


Highlights: Now // Wonderful Turn // Old Tape Running
Genre: Singer/Songwriter // Indie-Pop
Sounds Like: Maritime // Maximilian Hecker

VÖ: 15.02.2013

Tim Neuhaus hat einen Gang zugelegt. Auf seinem letzten Album haben noch verträumte Singer/Songwriter-Balladen dominiert, jetzt hat seine Band sich ein Keyboard und ein paar Soundeffekte zugelegt. Zwar muss man auf die bekannte Kost nicht komplett verzichten, aber der Balladenanteil an sich wurde merklich zurückgefahren. Am besten verdeutlicht wird der Unterschied zwischen den Platten „The Cabinet“ und „Now“ wahrscheinlich im Vergleich der veröffentlichten Singles. "As Life Found You" war so schön und still und tröstend, ein Lied wie eine weiche Kuscheldecke. "Now" hingegen bleibt dem alten Stil zwar vom Gefühl her treu, geizt aber nicht mit Keyboards, einem fröhlichen Schlagzeug und Backgroundchören. Man kann sich gut vorstellen, wie vollbärtige Männer in engen Hosen ihre Körper rhythmisch hin und her bewegen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch bei "Crashing Through Roofs" und "Hindsight", die vergleichbar fröhlich daherkommen.

Die Effekt- und Keyboardspielereien sorgen zwar für mehr Lebhaftigkeit, andererseits drängen sie manche der Songs in den Bereich der Hintergrund- und Fahrstuhlmusik. Sie wirken unaufdringlich, unauffällig, unverbindlich, unbedeutend. Das ist ziemlich schade, weil die einzelnen Lieder an sich alle nahezu perfekt arrangiert sind. Und auch an den Texten hat man viel herumgefeilt und eigens dafür einen Muttersprachler hinzugezogen, um die richtige Authentizität zu erzeugen. Aber technische Perfektion ist eben nicht alles. Man traut es sich kaum, Tim Neuhaus das vorzuwerfen, aber irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dass hier ein wenig Herz fehlt, das Gefühl. Oder eher der Mut zum Spiel, zum Unperfekten.

Von Zeit zu Zeit beschleicht den Hörer der Gedanke, wie das Album wohl klingen würde ohne die Hammondorgeln, das (durchaus effektvoll eingesetzte) Autotune und die ganzen neuen Spielereien; wenn man einfach nur Tim Neuhaus hören würde, begleitet von einer Akustikgitarre und gelegentlich ein paar Geigen. Der Kontrast wird bei "Seconds Later" sehr gut greifbar, wo man den Unterschied am Wechselspiel zwischen Strophen und Refrain festmachen kann. Keine Frage, auch ohne Strom wäre „Now“ ein gutes Album, vielleicht wäre es sogar schöner, heimeliger als es jetzt ist. Aber es wäre mit einer weiteren solchen Platte keine Weiterentwicklung geschafft und auf der Stelle zu treten, hat noch niemandem weitergeholfen.

Lisa Dücker

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