Rezension

Tim Hecker & Daniel Lopatin

Instrumental Tourist


Highlights: Vaccination (For Thomas Mann) // Instrumental Tourist
Genre: Ambient // Electronica
Sounds Like: Oneohtrix Point Never // Jetone // Holy Other

VÖ: 23.11.2012

Das neue Album „Instrumental Tourist“ von Tim Hecker & Daniel Lopatin ist nicht gerade einfach zu hören. Ganz im Gegenteil, es verlangt seinen Hörern eine ganze Menge ab und funktioniert nur in bestimmten Situationen und Gemütszuständen – und dennoch ist es alle Mühen und Strapazen, die dem imaginären Helden auf seiner Reise begegnen, wert.

Das Album hat tatsächlich etwas Konzepthaftes und Hecker & Lopatin schaffen es, jeweils ganz persönliche Geschichten in den Köpfen der Hörer entstehen zu lassen, während sie dem verworrenen Pfad aus Samples, Prasseln und Knistern und glühenden Flächen folgen. Die richtige Stimmung vorausgesetzt, fällt es leicht, sich in den geisterhaften Soundcollagen von „Instrumental Tourist“ zu verlieren – allzu zart besaitet sollte man für eine solche Exkursion allerdings nicht sein! Andernfalls besteht die Gefahr, unter der klaustrophobischen Stimmung erdrückt zu werden und das Album schlicht als zu fordernd abzutun.

Die Zusammenarbeit zwischen Hecker und Lopatin, die beide zu den derzeit wohl einflussreichsten Ambient-Musikern zählen, ist der erste Teil der SSTUDIOS (Software Studio Series). Diese lädt Musiker dazu ein, gemeinsam innovative und qualitativ bemerkenswerte Werke zu schaffen. Die Aufnahmen erinnern an die Improvisationen einer Jazz-Band. In Zeiten, in denen es dank elektronischer Aufnahmeverfahren und gut verfügbarer Software einfacher denn je ist, als einzelner Musiker symphonische Tracks zu entwerfen, stellt sich natürlich die Frage, ob Kollaborationen wie diese überhaupt noch ihre Berechtigung haben. „Instrumental Tourist“ lässt sich als entschiedenes Argument für diese Gemeinschaftsarbeiten sehen, denn durch die Verschmelzung der unterschiedlichen Arbeitsweisen und künstlerischen Visionen entsteht hier eine neue musikalische Sprache, die – wenn auch eher voraussetzungsreich – äußerst interessant ist.

Die beiden Musiker begeben sich auf eine musikalische Weltreise und sammeln Soundfragmente aus allen erdenklichen Quellen. Diese wandern jedoch nicht einfach als Souvenir ins Album, sondern werden zuvor auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Wie eine Postkarte, die auf ihrem langen Weg einige Falten und Eselsohren abbekommen hat, sind auch die Samples auf „Instrumental Tourist“ ordentlich zerknittert. Diese Verzerrungen und Umwege machen letztendlich jedoch nicht nur ein jedes Reiseandenken zu etwas Besonderem, sondern setzen auch Heckers und Lopatins Album deutlich von den sonstigen Veröffentlichungen ihres Genres ab.

Christoph Herzog

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