Rezension

The Sea And Cake

Runner


Highlights: The Invitations // Harbor Bridges // New Patterns
Genre: Indie-Pop
Sounds Like: The American Analog Set // Broken Social Scene // Tortoise

VÖ: 21.09.2012

„Sapperlot, so viel Veränderung“ könnte man sich beim Lesen der Releasenotes zum neuen Album "Runner" von The Sea And Cake denken. Die Rede ist dort von der „Energie einer neuen Band“, „akustischen Experimenten“ und „Synthesizer/Sequencer-Ideen“. Legt man dann jedoch die CD ein, kann man sich rasch beruhigen, denn die Befürchtung, The Sea And Cake wären eine komplett neue Band geworden, bestätigt sich nicht. Die erwähnten Synthie-Einflüsse machen sich zwar bei einigen Songs wie etwa „Harps“ und besonders „The Invitations“ bemerkbar, wirken jedoch nie gewollt und drängen sich auch nicht allzu sehr in den Vordergrund. Eines kann man also schon vorweg nehmen: „Runner“ ist ein durchweg im positiven Sinne solides Album geworden, das sich gut in die lange Geschichte der Band und deren musikalische Entwicklung einfügt.

Auf diese Bandgeschichte sei an dieser Stelle kurz eingegangen, denn The Sea And Cake schaffen es wie kaum eine andere Band, einerseits ihrem eigenen Stil treu zu bleiben, sich jedoch gleichzeitig mit jedem Album ein Stückchen weiter zu entwickeln, um so nie dem Langweiligen oder Beliebigen zu verfallen. Vor fast zwanzig Jahren schlossen sich vier Musiker zusammen, die zuvor alle in anderen Bands der Chicagoer Indie-Szene aktiv waren: Sam Prekop und Eric Claridge, die vorher schon bei Shrimp Boat zusammen spielten, John McEntire, der unter anderem Mitglied des Postrock-Prototypen Tortoise war, und der damalige The-Coctails-Gitarrist Archer Prewitt. Die enorme Produktivität der Anfangsjahre der Band wurde von einer kreativen Pause in den Jahren 2003 bis 2007 unterbrochen, in der sich die Mitglieder ihren anderen Projekten widmeten. „Runner“ ist nun schon das zehnte Studioalbum von The Sea And Cake und kann als gelungene Fortführung der Entwicklung der Band angesehen werden. Diese reicht von starken Jazz- und Postrock-Einflüssen in der Anfangszeit über eher loungeartigen Indiepop und gipfelt nun in der Synthese dieser beiden Wege, wie sie sich schon auf dem 2011 veröffentlichten Mini-Album „The Moonlight Butterfly“ angedeutet hatte.

Die Songs des neuen Albums bewegen sich zwischen klassischem Indie-Pop und teils etwas vertrackteren Ausflügen in die Welt des Jazz und Postrock, sind jedoch alle tiefenentspannt. Die Kollegen von laut.de charakterisierten diese Eigenschaft schon anhand eines früheren Albums mit „leicht zu hören, aber schwer zu fassen“, was auch auf „Runner“ sehr gut zutrifft. Der erste Titel „On And On“ geht sehr poppig nach vorne und lässt mit seinem Gitarrenpop fast Retro-Gefühle aufkommen. Bei „Harps“ spürt man dann stärker den schon erwähnten Synthie-Einfluss, bis John McEntires Schlagzeug einsetzt, um das Geschwurbel des Songanfangs zu ordnen. „The Invitations“ setzt sich, einerseits durch den beherzten Distortion-Einsatz, andererseits wegen der fast durchgängig im Hintergrund mitwabernden Synthie-Flächen, am deutlichsten von den anderen Songs des Albums ab. Bemerkenswert ist, dass hier Prewitts und Prekops Gitarrenspiel erst nach circa zwei Minuten einsetzt, der Song dadurch aber keineswegs poppiger wird, sondern eher Richtung Jam-Session-artige Improvisation tendiert.

Diese gelegentlichen dezenten Wechsel der Stimmung zwischen den, aber auch innerhalb der einzelnen Songs sorgen dafür, dass „Runner“ vom ersten bis zum letzten Song nie uninspiriert wirkt – und das, obwohl vielleicht das spannendste am ganzen Album gerade die Unaufgeregtheit ist, mit der The Sea And Cake auch nach fast zwanzig Jahren einfach wieder einmal ein sehr rundes Album abliefern, als wäre Songs zu schreiben das einzige, was sie jemals getan haben. Vielleicht ist es das sogar auch und hoffentlich machen sie damit noch lange so weiter!

Christoph Herzog

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