Rezension

The Pineapple Thief

Tightly Unwound


Highlights: Tightly Wound // Different World // Too Much To Lose
Genre: Progressive Indie
Sounds Like: (alte) Porcupine Tree // RPWL // Pure Reason Revolution

VÖ: 30.05.2008

The Pineapple Thief haben ein Problem. Dieses Problem heißt Porcupine Tree. Nicht, dass die Labelkollegen ihnen irgendetwas Böses wollten oder ähnliches. Nein, die Krux liegt im immerwährenden Vergleich zu Steven Wilson und seiner Band. Ein Vergleich, den The Pineapple Thief erstens nicht gewinnen können und zweitens ist er überhaupt nicht mehr zulässig. Wo Porcupine Tree schon länger in Richtung Prog Rock und Metal abgebogen sind, bleiben Band-Chef Bruce Soord und seine Mannen auf ihrer kleinen Insel namens Artrock vehement sitzen und bauen sich mit „Tightly Unwound“ endgültig ein eigenes Monument.

Sind ja auch schon eine ganze Weile im Geschäft, obwohl nach sechs Studioalben und diversen Soloausflügen von Soord kaum jemand etwas davon mitbekommen zu haben scheint. The Pineapple Thief bewegen sich schon seit jeher gekonnt unter dem Radar der breiten Aufmerksamkeit. Über die Gründe kann man jetzt spekulieren, oder es sein lassen und über die Musik diskutieren. Diese spricht nämlich für sich und auch eine ganz eigene Sprache. Was man auf „Tightly Unwound“ zu hören bekommt, gehört schließlich zu den wenigen Alben eines Jahres, bei denen Referenzen zu finden mehr als schwer ist. Endlich mal wieder ein Werk, das nicht durch gut geklaut, sondern durch seine Eigenständigkeit glänzt.

Gleich das ruhige Eröffnungsstück „My Debt Of You“ überzeugt durch wunderschönes Gitarrenspiel und tolle Gesangslinien. Krachiger geht’s da eher im Anschluss weiter, wenn mit „Shoot First“ und „Sinners“ zwei erstklassige Alternative-Rock-Nummern Baujahr 90er geboten werden. Ein guter Start in ein sehr abwechslungsreiches Album, welches durch „The Sorry State“ leider einen kleinen Dämpfer erhält. Hier muss die Frage erlaubt sein, ob Soord vielleicht etwas zu viel Smashing Pumpkins gehört hat, denn dass der Song nahezu exakt wie „Tear“ klingt, kann kein Zufall sein.

Die großen Stärken von The Pineapple Thief treten aber sowieso erst mit den großen Songmonolithen zutage. Das aufgrund des Schlagzeugspiels fast schon mechanisch wirkende „Tightly Wound“ hat mal eben den schönsten Refrain des ganzen Albums im Gepäck und verabschiedet sich mit einem großartigen Orchesterfinale. „Different World“ hat sogar noch mehr zu bieten und liefert in knapp 11 Minuten Spielzeit einen Ausflug quer durch postrockige Landschaften, unverschämt gute Bassläufe, grandiose Schlagzeugsoli und vor allen Dingen große Melodien. Wem das noch nicht reicht, der kann sich in „Too Much To Lose“ sogar eine ganze Viertelstunde lang progressiven Klangwelten hingeben, die zu entschlüsseln einige Hördurchgänge nötig macht.

Hat man „Tightly Unwound“ erst einmal erschlossen, kann man so schnell nicht genug von diesem Album bekommen. Dies liegt nicht zuletzt an der außerordentlich guten Instrumentierung, die besonders für Schlagzeug- und Gitarrenliebhaber ein wahres Fest für die Ohren darstellt. Da wünscht man sich für die nächste Platte gleich noch mal zwei 10 Minüter mehr, damit sich The Pineapple Thief auch ja schön austoben können. Und wir auch.

Benjamin Köhler

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