Rezension

The Low Anthem

Oh My God, Charlie Darwin


Highlights: Charlie Darwin // To The Ghosts That Write History Books // Champion Angel
Genre: Folk // Americana
Sounds Like: Fleet Foxes // Iron & Wine // Great Lake Swimmers // Conor Oberst

VÖ: 28.08.2009

Um eins erstmal vom Tisch zu bekommen: allem Hype um die ungewöhnliche Bandkonstellation zum Trotz sollte erst einmal die Bremse getreten werden. Denn der Zweitling des Malers, des Baseballspielers und der NASA-Technikerin/ klassischen Komponistin ist nicht das Überalbum geworden, als das es derzeit in der Presse für gewöhnlich abgefeiert wird. Eigentlich angepriesen wird hier nämlich der Umstand, dass offensichtlich immer mehr amerikanische Künstler ihre Wurzeln im Folk und Americana offen zu Tage tragen und somit nostalgische Gefühle in Kritikern wecken, die sich nur zu gern an die besseren Zeiten in den 60ern und 70ern erinnert fühlen möchten. Hätten wir das. Selbstverständlich ändert das nichts daran, dass „Oh My God, Charlie Darwin“ schöner, zeitloser Folk ist, der zart und leist tritt und seine Ambivalenz in reservierte Atmosphäre eindeckt.

Interessanterweise liegt die Vermutung nahe, dass The Low Anthem ihre Holzfällerhemden nicht nur als Fassade tragen, sondern sie tatsächlich zum Holzhacken benötigen.. Nur so lässt sich erklären, wie Songs wie das schlicht gestrickte „The Horizon Is A Beltway“, das spröde „Home I’ll Never Be“, dessen Original im Übrigen von Tom Waits stammt oder das ganz tief grabende und letztlich die Wurzeln des Americana an die Oberfläche tragende „ Champion Angel“ so klingen, wie sie nun mal klingen. So manches Wässerchen befeuchtet dann an anderer Stelle schon die Äuglein, wenn Zärtlichkeit und Geborgenheit auf rührende Art und Weise zusammenfinden - als würde ein altes Ehepaar auf seiner goldenen Hochzeit immer noch schwer verliebt einen behaglichen Waltzer tanzen („Cage The Songbird“).

Die Chemie zwischen den mehrstimmig singenden Multiinstrumentalisten stimmt zweifellos und gute, wenn auch nicht überragend geschriebene Songs sind auch an Bord. „Oh My God, Charlie Darwin“ verrät übrigens schon durch seine Tracklist seinen Charakter als Konzeptalbum. Der Evolutionstheoretiker reist nach Ohio (warum eigentlich gleich zwei Mal?), sinniert über Heimat und das, was noch kommen mag. Ist eigentlich irgendwem aufgefallen, auf wie viele verschiedene Arten man den Albumtitel interpretieren kann? Offensichtlich bleibt stets der Widerspruch zwischen Gott und Darwin, Religion und Wissenschaft. Latenter Protest sieht anders aus. Und doch sind The Low Anthem im Grunde genommen gerade deswegen würdige Vertreter ihrer Bewegung. Man denke nur an Dylan. War das jetzt schon zu nostalgisch? Mal ehrlich: in diesem Fall lässt‘s sich wirklich kaum vermeiden.

Gordon Barnard

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