Rezension
The Libertines
Anthems For Doomed Youth
Highlights: Barbarians // Gunga Din // Iceman // Heart Of The Matter
Genre: Indierock
Sounds Like: The Rakes // The Rifles // The Strokes // Babyshambles // Dirty Pretty Things
VÖ: 11.09.2015
„Oh what became of the Likely Lads? // What became of the dreams we had? // Oh what became of forever?“ Satte elf Jahre ist es her, dass Carl Barât und Pete Doherty sich diese Fragen stellten. Fast ein kleines forever. Seitdem das grandiose zweite Album der Libertines 2004 erschien, rückte zumindest für die Fans das „Oh“ immer mehr in den Vordergrund: die „Likely Lads“ lösten sich nicht nur auf, sie verblassten. Die Stories von Crack, Prügeleien und Heroin blieben aber. Und dann auf einmal raffen sich diese Typen auf, besuchen den gefallenen König des Exzesses beim Entzug in Thailand und produzieren: einen Abklatsch alter Zeiten? Ein Meisterwerk? Ein Totengeläut, gewidmet jenen, die dem Untergang geweiht sind? Was denn nun?
Niemand hat es erwartet, nur wenige haben noch daran geglaubt und doch: The Libertines erinnern uns mit „Anthems For Doomed Youth“ an ihre chaotische Großartigkeit. Noch immer handeln die Songs von der Hassliebe der beiden charismatischen Bandleader, von Drogen, Abenteuer und Zerfall. So singt Barât in der Single „Gunga Din“: „Woke up again to my evil twin // The mirror is fucking ugly, and I'm tired of looking at him” und wir wissen nicht so recht, ob er hier sich selbst oder doch sein böses Alter Ego Pete Doherty meint.
Soundtechnisch ist das Album viel näher an 2004 als gedacht, wenn auch unfassbar weit entfernt von der rohen Power von „Up The Bracket“. Vielleicht sind The Libertines keine wirkliche Bande à part mehr, vielleicht auch mehr als je zuvor. Die Außenseiterbande, die sich leidenschaftlich selbst zerreißt. Die Songs sind immer noch packend, energetisch, theatralisch, beim Opener „Barbarians“ fühlt man sich gleich zurückversetzt. Dabei sind die „Anthems For Doomed Youth“ in keinster Weise nostalgisch, wenngleich sie großes Potential dazu haben, Nostalgie auszulösen. Das Schlimmste, was nämlich geschehen könnte, ist, dass man sich im Überschwang ob dieser Neuentdeckung dem alten, dem echten Material zuwendet. Und feststellt: diese Platte ist groß, aber sie steht doch im Schatten der ersten beiden Alben. Standing on the shoulders of giants.
Barât und Doherty waren nie wirklich weg, zahlreiche Projekte schlossen sich an das Ende der Libs as we knew them an. Und doch sollte man diese Band, die nun auf seltsame Weise wieder zu sich gefunden hat, genießen, feiern und ihr huldigen, so lange es noch geht. Man weiß nie, ob es sie morgen noch gibt.
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