Rezension

The Horrors

Skying


Highlights: Changing The Rain // Endless Blue // Still Life // Moving Further Away
Genre: Synth-Pop // Krautrock
Sounds Like: Simple Minds // The Human League // David Bowie // My Bloody Valentine

VÖ: 08.07.2011

Kaum eine Band hat so sehr mit ihrem Image zu kämpfen wie The Horrors. Der Bandname = Schublade. Der Look = Hipster-Models. Die Fans = Boygroup-Material. Keine Frage, die Einstiegshürde liegt hoch und man kann es nicht einmal unbedingt verübeln. Doch das ist eigentlich schade, denn dadurch haben viele nicht nur mit „Primary Colours“ das beste Shoegaze-Post-Punk-Album seit den goldenen 80ern verpasst, sondern auch einen der beeindruckendsten Stilwechsel einer Band in den letzten Jahren. Der Fünfer aus dem südenglischen Southend gibt mit „Skying“ nun aber jedem eine zweite Chance, denn die musikalische Wandlung von The Horrors nimmt eine weitere überraschende Wende und scheint bei Weitem noch nicht abgeschlossen zu sein.

Immerhin bleibt die Band dieses mal im selben Jahrzehnt. Man ist nun im weitesten Sinn bei Synth-Pop angekommen und klar, hier schrillen erstmal die Alarmglocken. Daran haben sich in der letzten Zeit einfach deutlich zu viele bekannte Namen mit teils katastrophalem Ergebnis versucht (The Killers, Dredg, aktuell auch Coldplay). Und die hatten bei ihren gescheiterten Experimenten auch noch fremde Hilfe an den Reglern! The Horrors hingegen produzierten mit „Skying“ zum ersten mal ein Album in Eigenregie. Warum? Weil sie es können natürlich. Zum einen von den Besten gelernt (Geoff Barrow, Craig Silvey, Chris Cunningham), zum anderen sind hier in der Band einfach fünf extrem helle Köpfe unterwegs, von denen jeder genau weiß, was er tut.

Das Ergebnis ist gerade vom klanglichen Aspekt her absolut fantastisch geraten. Besser kann man den Synthie-Sound der 80er eigentlich kaum in die Gegenwart transportieren. Dafür war man auch bereit, einige musikalische Totalüberholungen vorzunehmen. Die verzerrten Gitarrenteppiche scheinen nur noch hier und da mal durch („I Can See Through You“, „Monika Gems“) und die rabenschwarze Atmosphäre des Vorgängers erhält durch fast schon sommerliche Popsongs wie „Changing The Rain“ oder „You Said“ einen deutlich freundlicheren Anstrich. Den größten Sprung macht allerdings Sänger Faris Badwan, der sich stimmlich vom Teilzeit-Choleriker in die Sphären eines etwas heißeren David Bowie katapultiert.

Erstaunlich ist auch, dass es The Horrors schaffen, trotz der enormen Songlängen (nahezu alle Songs kratzen mindestens an der Fünf-Minuten-Marke) immer interessant zu bleiben. Das gelingt einerseits durch abwechslungsreiches Songwriting, andererseits bewegt sich die Band immer wieder geschickt von der Synth-Pop-Basis weg und streut dann eben ein paar andere Elemente ein. Exemplarisch sei hier nur mal das großartige „Endless Blue“ erwähnt. Ganz bedächtig zu Beginn mit Bass und dezent eingesetzten Bläsern arrangiert, grätscht urplötzlich eine Gitarre rein, die für den Rest der Spielzeit das Tempo vorgibt.

Die einzig wirkliche Konstante zu „Primary Colours“ bildet der Flirt mit dem Krautrock. The Horrors lassen es sich nicht nehmen, mit den überlangen „Moving Further Away“ und „Oceans Burning“ gleich zwei mal in die experimentelleren Gefilde abzutauchen, wenn auch mit zwei ganz unterschiedlichen Ansätzen. Vielleicht wagen sie es ja auf dem nächsten Album, den kompletten Schritt zu gehen. Zuzutrauen wäre es ihnen zweifellos, denn Fakt ist: The Horrors sind zusammen mit Radiohead die wandelbarste und spannendste britische Band der letzten Jahre.

Benjamin Köhler

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