Rezension

The Dears

Missiles


Highlights: Disclaimer // Crisis 1&2 // Demons // Saviour
Genre: Melo-Gitarren-Pop
Sounds Like: The Smiths // Joy Division // Jarvis Cocker

VÖ: 30.01.2009

Perfektionismus kann ein Charakterzug mit sehr negativen Folgen sein, die sich vor allem sozial, aber auch beruflich auswirken können. Im Falle von Murray Lightburn ist der soziale Einfluss jener Geisteshaltung in der Entlassung fast der gesamten Belegschaft seines Unternehmens „The Dears“ ausgeufert. So lag es vor allem an ihm und seiner Frau Natalia Yanchak, das sinkende Schiff zu retten. Womit wir beim beruflichen Teil wären. Es sei vorweggenommen: zumindest aus musikalischer Sicht ist der Meister dem tugendbehafteten Versagen noch von der Schippe gesprungen.

Natürlich wartet der europäisch orientierte Melopop des Kanadiers mit allem auf, was sich so gerade noch mit dem Genre vereinbaren lässt. So finden sich Kirchenorgel, Synthesizer, Kinderchöre und direkt zum Beginn eine wunderbar in Szene gesetzte Saxophon-Improvisation. Gerade das Saxophon hat ja in seiner langen Popkarriere - mit einem seiner Höhepunkte in der Pink Floyd`schen Verwendung - so einige musikalische Schattenseiten mitgeprägt. Hier tut es das nicht und leitet ein Album ein, das ambitioniert, aber nicht zu sehr gewollt, leicht, aber nicht wertfrei daherkommt und genauso sehr mit dem Post-Punk flirtet, wie es Jarvis Cocker zitiert oder Wave-Anleihen raushaut. In Sachen Treffsicherheit hat sich bei den Dears so einiges getan. Gerade Murray Lightburn ist ja dafür bekannt, gerne immer etwas mehr als nötig zu wollen. Gerade dieser Kritikpunkt lässt sich aber bei „Missiles“ nur schwer anwenden, so beruhigend eingängig, gleichzeitig aber dennoch tieftraurig kommt es daher.

„Crisis 1&2“, das den zeitlichen Mittelpunkt der in drei Teile gesplitteten Platte darstellt, begnügt sich in seinem ersten Teil mit der eindringlichen, aber nicht zu vordergründigen Stimme Natalia Yanchaks in Begleitung ihres Ehemanns, um dann im zweiten Teil die Rollen umzukehren und den energischen und beinahe einzigen Up-Tempo-Part einzuleiten, den „Missiles“ zu bieten hat. Das epische „Saviour“ mit seiner schleppenden Snare und dem dünnen Synthieteppich, der das eindringliche Versprechen Lightburns, dass alles irgendwann besser wird, monotoner nicht begleiten könnte, beschließt den dritten und letzten Part des Albums. Der umgekehrte, entwicklungsromantische Blick zurück ist auch gleichzeitig der Inbegriff dessen, was „Missiles“ lyrisch zu bieten hat: Versprechungen, Unperfektheit, vorgegaukelte Hoffnungen und Versagen. Und das von einem Mann, der den Perfektionismus mit Löffeln gefressen hat.

Andreas Peters

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