Rezension
The Dead Weather
Dodge And Burn
Highlights: Rough Detective // Be Still // Open Up
Genre: Garage Rock // Blues // Gothic
Sounds Like: The Kills // The Birthday Party // The White Stripes
VÖ: 25.09.2015
Na sowas! Da hatte man sich gerade daran gewöhnt, dass Jack White pro Projekt immer nur noch zwei Platten macht: ein ungehobeltes Debüt und ein geschliffeneres Zweitwerk. So geschehen bei den Raconteurs, bei seinen marineblauen Soloausflügen „Blunderbuss“ und „Lazaretto“ und bisher auch bei The Dead Weather. Auf deren wunderbar rohem Erstling „Horehound“ folgte das durchdachtere, leider aber auch nicht mehr ganz so atmosphärische „Sea Of Cowards“, dann gab es noch ein paar Singles für Abonnenten von Whites Labelshop „The Vault“ und ansonsten Schweigen im Walde. Mit einer neuen Platte rechnete man, obiger Logik folgend, eigentlich nicht. Und jetzt: Denkste! The Dead Weather vollbringen mit „Dodge & Burn“ das Unerwartete und veröffentlichen ihr drittes Album. Beinahe möchte man sagen: ihr zweites Debüt.
Den Schweiß und Schmutz, der „Sea Of Cowards“ stellenweise fehlte, kippen The Dead Weather über „Dodge & Burn“ endlich wieder kübelweise aus: White rumpelt unnachahmlich auf seinem Schlagzeug herum und gibt sich mit Fuzzbass-Enthusiast und Hornbrillen-Fan Jack Lawrence sumpfigen Steinzeitgrooves hin. Gitarren und Synthies kreischen ohrenbetäubend unter den Händen von QOTSA-Tausendsassa Dean Fertita, während sich The-Kills-Hälfte Alison Mosshart cool wie ein Gesang gewordener Tarantino-Streifen durch die Songs röhrt, keucht, säuselt und raunt. Alles selbstverständlich live aufgenommen und inklusive aller Neben- und Umgebungsgeräusche veröffentlicht – „digital“ und „Nachbearbeitung“ sind im vinylschwarzen Kosmos von Jack White bekanntermaßen Unflätigkeiten, die man dort nur widerwillig in den Mund nimmt und noch widerwilliger an die teuren Magnetbänder lässt.
Doch nicht nur dank des rohen Sounds und der unüberhörbaren Spielfreude klingt „Dodge & Burn“ weniger nach dem dritten Album einer etablierten Supergroup als nach dem krachigen Erstling einer (zugegebenermaßen ungehörig tight eingespielten) Newcomerband. Auch im Songwriting lassen The Dead Weather alle Zügel los, zelebrieren Experiment und Eskalation: „Open Up“ und „Buzzkill(er)“ braten einem derart aggressive Riffs um die Ohren, dass man sich an die heftigsten White-Stripes-Eskapaden erinnert fühlt. In „Three Dollar Hat“ stemmen sich Bass und Schlagzeug gegen einen völlig freidrehenden Synthesizer, damit Jack White eine Grundlage für eine Art Rap-Version von Nick Caves „Stagger Lee“ hat – und als wäre das noch nicht wild genug, wirbelt ein von Gitarren und Alison Mossharts Gesang getragener, rasanter Mittelteil alles durcheinander. Selbst ein eigentlich recht konventioneller Song wie das lässige Noir-Duett „Rough Detective“ kann in einem solchen Umfeld unvermittelt in völliges Chaos kippen.
Die größte Überraschung aber wartet am Ende der Tracklist: „Impossible Winner“ rumpelt nicht, brät nicht, sträubt sich nicht. Stattdessen: Klavier, massenhaft Streicher und eine croonende Alison Mosshart, die mit „Last Goodbye“ vom aktuellen Kills-Album „Blood Pressures“ schon einmal an einer ähnlichen Nummer demonstriert hat, dass sie auch ein Herz für Schmuseballaden hat. Elf Songs lang schlagen The Dead Weather Wunden, dann ersäufen sie sie geradezu in Balsam – mehr Kontrast geht eigentlich nicht. Ein bisschen wie ein Fremdkörper wirkt der Song daher schon. Wer den eklektizistischen Wahnsinn davor goutiert hat, sollte das aber verkraften können. Wenn dritte Alben mit Beteiligung von Jack White jetzt immer einer solchen Frischzellenkur gleichkommen, darf er mit seinem Soloprojekt und den Raconteurs jedenfalls gern in naher Zukunft nachlegen.
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