Rezension

The Acorn

Glory, Hope, Mountain


Highlights: Flood // Crooked Legs // Lullaby (Mountain)
Genre: Folk // Indie
Sounds Like: Ohbijou // Anathallo // Midlake // The Rest

VÖ: 24.10.2008

Immer wieder suchen Bands die Herausforderung, Alben als große Gesamtkunstwerke mit einem inhaltlich schlüssigen Konzept anzulegen. Nicht selten führt dies aber zu einem überambitionierten und letztlich unbefriedigenden Resultat. Bei dem sympathischen und ehrenwerten Vorhaben der kanadischen Band The Acorn scheint eine solche Befürchtung jedoch unbegründet. Denn „Glory Hope Mountain“ erzählt weder eine epische Fantasy-Saga, noch möchte es uns die Welt erklären. Stattdessen widmet es sich dem Leben der Mutter von Sänger und Songwriter Rolf Klausener. Basierend auf Interviews, die er mit ihr vor zwei Jahren führte, erzählt er die schwere Kindheit der aus Honduras stammenden Frau und ihre Migration nach Montreal in den frühen Siebzigern.

Kein Wunder also, dass hier die verschiedensten Musikstile aufeinander treffen. Exemplarisch sei die kleine Songperle „Plateau Ramble“ genannt, die klassisches Folk-Fingerpicking mit Garifuna-Rhythmen vereint, deren Ursprung zum Teil in Westafrika liegt. Über die Rhythmussektion definiert sich auch größtenteils The Acorns Sound. Hier wird geklatscht, gerasselt und getrommelt, was das Zeug hält, und spätestens bei „Flood“ wird man nicht mehr still sitzen können - ohne Zweifel ein Song, der sich schnell in den Gehörgängen festsetzt.

Allerdings ist gerade diese Dominanz der Rhythmik zugleich der größte Schwachpunkt von „Glory, Hope, Mountain“. So findet sich der eine oder andere Song, dem die zündende musikalische Idee zu fehlen scheint und der etwas vor sich hin plätschert. Entschädigt wird man aber durch Songs wie das bezaubernde „Oh Napoleon“, das einen mit seiner zurückhaltenden Banjo-Begleitung direkt an Sufjan Stevens’ ruhigere Folk-Songs denken lässt. Dass die Songs einen so sehr zu berühren wissen, ist vor allem auch Klauseners Stimme zu verdanken, der es stets gelingt, die in den Texten beschriebenen Bilder dem Hörer nahe zu bringen. Seine Texte sind nicht mit überflüssigen Details überfrachtet, stattdessen beschränkt er sich auf einzelne Momentaufnahmen aus dem Leben seiner Mutter. So zieht einen das nervöse „Crooked Legs“ mit seinen einfachen und bildhaften Versen direkt in seinen Bann: „I won't feel the pull of the coming day / or the compromise of sleep / 'cause I've got a fire on the soles of my feet“. Gelungen ist auch die reichhaltige, aber feinsinnige Instrumentierung mit Streichern, diversen Bläsern, Ukulele und Marimba, die einen großen Teil zur Atmosphäre des Albums beiträgt. Wenn einen schließlich zum Ausklang „Lullaby (Mountain)“ mit Unterstützung von Ohbijou-Sängerin Casey Mecija sanft umschmeichelt, kann man dieser Band so manchen schwächeren Song leicht verzeihen.

Auch wenn „Glory, Hope, Mountain“ vielleicht noch nicht der ganz große Wurf ist, zeigen The Acorn ihr großes Potential und wecken die Neugier auf weitere Veröffentlichungen. Dass sie den Mut besitzen, auch Pfade des Folks zu beschreiten, auf die sich nicht jede Band trauen würde, haben sie mit diesem außergewöhnlichen Konzeptalbum jedenfalls unter Beweis gestellt – Mama wird sich freuen.

Kilian Braungart

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