Rezension

Talking To Turtles

Oh, The Good Life


Highlights: Grizzly Hugging // Wonky Cradle // Fingers Crossed // Crumbs
Genre: Folk // Pop // Singer-Songwriter
Sounds Like: Bright Eyes // Dear Reader // The Decemberists

VÖ: 19.08.2011

In einem WG-Zimmer in Berlin-Friedrichshain hat alles angefangen: Dort nahmen Claudia Göhler und Florian Sievers vor einiger Zeit die Debüt-EP ihres Projektes Talking To Turtles auf. Dass sie sich nur wenige Jahre später zur Aufnahme ihres Zweitlings in Seattle (!) wiederfinden würden, haben sie sich, bis sie dann letztlich dort waren, bestimmt in keinster Weise erträumt. Gemastert wurde "Oh, The Good Life" sogar in Omaha – eine kleine, deutsche Studentenband ganz nah an den Vorbildern ihres Sounds also. Und dabei zeigen die "Turtles" auf wunderbare Art und Weise, dass man keineswegs aus Amerika kommen muss, um eine wundervolle, englischsprachige Platte voller Folk und verträumtem Indiepop zu machen: Dieses Album klingt dermaßen original, dass man sich ohne es zu wissen niemals erträumen würde, wo die Wurzeln liegen. Scheinbar hat der Nordwesten der USA dennoch eine nicht abstreitbare kreative Aura, denn der Sound der Zwei wird auf diesem Album zum Bandsound gehoben. Hier wächst ein großes Stück leuchtende Musik zusammen.

"Oh, The Good Life" ist eine wundervolle Folkplatte geworden, die sich hinter ihren Vorbildern keineswegs verstecken muss, die sich allein durch den positiven Albumtitel schon von den meisten (große Ausnahme natürlich die Saddle-Creek-Band "The Good Life") abhebt - obgleich dieser im Beisammensein mit dem melancholisch-schönen, Vergänglichkeit symbolisierenden Albumcover durchaus Interpretationsspielraum offenlässt. Was Talking To Turtles besonders auszeichnet, ist das Songwriting: Alles hat hier genau den richtigen Platz gefunden, dort wo und so wie der Hörer es sich wünscht, ohne dabei langweilig oder berechenbar zu sein. Im Gegenteil: "Oh, The Good Life" ist eine sehr abwechslungsreiche Platte in bunter Instrumentenvielfalt (z.B. Mundharmonika, Cello, Kontrabass, Banjo, Horn und Querflöte) und Verspieltheit geworden, gespielt von einem Haufen Gastmusiker aus dem Freundeskreis des Produzenten Jonathan Warman, dazu Claudias mitunter richtig niedliche ("I Am In Numbers") und Florians zwischen Gebrochenheit und Wärme pendelnde Stimme, gemeinsam in gekonnter Zweistimmigkeit.
Die erste wirkliche Gänsehaut erreicht den Hörer dann schon im zweiten Song "Crumbs" beim Einsetzen der Gitarren. Das können heutzutage Death Cab For Cutie auch nicht besser. "Oh, The Good Life" lebt von seiner Detailverliebtheit, so z.B. den Backgroundgesängen in "I Am In Numbers" oder einem Song wie dem letzten, melancholischen "REM", welches uns am Ende dieser Platte wieder ruhig, nahezu psychedelisch, in die Welt entlässt. "Grizzly Hugging", die Single, hat derweil durchaus das Potential zum Campusradiohit, allein schon wegen des schönen Songtitels. Wie simpel und doch genau richtig der Gitarrenlauf im Refrain sich anheimelt - wundervoll. Von einer guten zu einer sehr guten Platte wird "Oh, The Good Life" (absolute Zustimmung übrigens an dieser Stelle zum Albumtitel) mit dem vorletzten Lied: Aus einer simplen Basslinie baut sich ein riesengroßer Song auf, der mit furios-schönem Violinenspiel endet. "Fingers Crossed" (so der Titel des Songs) für Talking To Turtles!

Daniel Waldhuber

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