Rezension

Suuns

Hold/Still


Highlights: Instrument // Resistance // Brainwash // Infinity
Genre: Elektro-Wave // Post-Rock // Industrial
Sounds Like: Clinic // The Field // Anika // Radiohead

VÖ: 15.04.2016

Es sind Kopffüßler. Überall kriechen sie aus ihren Ecken und Ritzen. Kratzig knarzend schieben sie sich übers Parkett. Sie ähneln Sonnen, doch ihre Strahlen sind Tentakeln. Düster und gedankenverloren. Doch es ist nicht alles Großhirn, was denkt. Empfindungsflimmern, hektisch flackernde Sinneseindrücke und dann auf einmal nichts.

Ein manischer Wettlauf mit den eigenen Psychosen – so oder so ähnlich könnte man die Musik der kanadischen Band Suuns sträflich verkürzt zusammenfassen. Doch konnte man dem Four-Piece um Sänger Ben Shemie beim Vorgänger „Images Du Futur“ noch vorwerfen, der Fokus liege zu sehr auf der Kopfarbeit, ist die Sache nun anders. Das dritte Studioalbum verfolgt noch immer den verstörend hypnotischen Stil der Vorgängeralben, allerdings kommt der Flow nun eher aus den Eingeweiden. Und aus der Hüfte.

Der Opener „Fall“ zieht einen mit seiner brachialen Ästhetik in das Album. Anfangs extrem reduziert kommt bald eine stampfende Basedrum dazu. Das Gerüst bildet trotzdem die fast schmerzhaft schreiende Gitarre. Man kann von Instrumentenvergewaltigung sprechen und dabei an Industrial und die Einstürzenden Neubauten denken. Glücklicherweise wird alles, was danach kommt, deutlich grooviger. „Instrument“ fleht schon fast spirituell „I look at the sky / I wanna believe / I wanna receive...“ Die einzig wahre Religion ist hier wohl das Instrument selbst, das im Hintergrund mal elektrisch wummert oder gezupft singt. Suuns zeigen hier eindrucksvoll, wie unterkühlt und gleichzeitig ekstatisch ein Song sein kann.

„Mortise And Tenon“ ist – obgleich des eher ingenieurmäßigen Titels – so etwas wie der Gute-Laune-Song des Albums. Wohlgemerkt für Suuns-Verhältnisse. Nach der zappeligen Single „Translate“ kommt ein Song, der wohl sinnbildlich für die Bandbreite auf „Hold/Still“ steht: „Brainwash“ beginnt lullaby-like als sanfte Ballade. Man denkt schon fast, man hätte endlich die Chance, kurz durchzuatmen. Würde die Idylle nicht zwischenzeitlich unterbrochen durch krachend stampfendes Drumgeballer. Ein Kinderlied für Frühverstörte. Der Text fragt sich und uns: „Do you see, all seeing? / Do you know, all knowing?“ Eine wohl eher rhetorische Frage.

So geht es weiter bis zum letzten Song „Infinity“, der – wie zum Trotz – viel zu früh abbricht und uns dastehen lässt. Allein im Dämmerlicht. Ohne Möglichkeit zu beobachten, wohin die elf Kopffüßler von „Hold/Still“ verschwinden.

Christoph Herzog

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