Rezension

State Radio

Let It Go


Highlights: Arsenic & Clover // Calling All Crows // Blood Escaping Man
Genre: Reggae-Rock
Sounds Like: Sublime // Bob Marley // Rage Against The Machine // The Jai-Alai Savant

VÖ: 29.01.2010

Der Terminkalender ist bis oben hin voll. Ob es sich nun um das Projekt „Bikes Not Bombs“, um die von Frontmann Chad Stokes und Tourmanagerin Sybil Gallagher einst gegründete Menschenrechtsorganisation „Calling All Crows“ oder die kürzlich stattfindende „Secret Crow Show“ für die Erdbebenopfer in Haiti handelt: State Radio halten nicht still.

Es bedarf keines geschulten Auges, um bei State Radio die fast schon symbiotische Verbindung zwischen der Rolle als Musiker und der als Menschenrechtler erkennen zu können. Stokes selbst beschreibt dieses Verhältnis ziemlich treffend: „Manchmal fragen wir uns, ob wir eine Gruppe sozialer Helfer sind, die ab und zu mal Musik machen, oder eine Band, die ab und zu mal an sozialen Projekten mitwirkt.“

Dass Musik und gesellschaftliches Engagement durchaus Hand in Hand gehen können, bewiesen die drei Amerikaner bereits mit dem Vorgängeralbum „Year Of The Crow“. Jetzt knüpfen sie mit ihrem dritten Werk „Let It Go“ da an, wo sie aufgehört haben.

Dabei liegt es offenbar im Charme der Band, die politischen Aussagen der Texte weder mit erhobenem Zeigefinger noch missionierend zu transportieren. Vielmehr ist Chad Stokes im Begriff, seine Lyrics unkommentiert in Bildern zu verpacken - der Rest bleibt dem Hörer überlassen. Bestes Beispiel dafür ist der Opener „Mansin Humanity“, der den Völkermord in Armenien sehr nahe gehend thematisiert. Aber was sind schon nachdrückliche Texte ohne die dazugehörige musikalische Untermalung?

So wäre es ein fataler Fehler, State Radio lediglich auf die Texte zu reduzieren. Nicht grundlos schnellte „Let It Go“ bereits eine Woche nach Veröffentlichung in den USA auf Platz 96 der Billboardcharts und ist damit der bisher größte Erfolg der Bandgeschichte. Möglicherweise daran nicht ganz unschuldig ist die Vielseitigkeit, die sich hier präsentiert. Die Platte ist weder textlich noch musikalisch ein Konzeptalbum, ist vielmehr ein Konstrukt vieler Stimmungen und Gefühle und scheint weitaus genreübergreifender zu sein als das Vorgängeralbum. Schwere, metalartige Gitarrenriffs zeichnen den Song „Mansin Humanity“ aus, der durch den immer wiederkehrenden Spannungsaufbau durchaus zu überraschen weiß, während Tracks wie zum Beispiel „Evolution“ eher für ein Aha-Erlebnis sorgen: Da ist er wieder, der gewohnte Reggae-Offbeat! Begleitet wird er durch den mitreißenden, melancholischen, ja, fast schon herzzerreißenden Gesang. Irgendwo zwischen diesen beiden Welten lässt sich wiederum „Knights Of Bostonia“ einordnen – ein Akkordeon, laut, schnell, zur Abwechslung mal außerordentlich ausgelassen: Assoziationen mit den Dropkick Murphys lassen sich hier kaum vermeiden. Der persönliche Hit findet sich allerdings gen Ende. Das Intro von „Blood Escaping Man“ lässt zunächst eine Ballade vermuten, stellt sich dann aber als Ruhe vor dem Sturm heraus. Eine kurze Pause, die Sticks zählen: 1-2-1234 und zack, ohne Rast bricht das Lied geradezu auf den Hörer ein. Dazu ein grandioser Basslauf und die wie immer so authentische Stimme Stokes.

Betrachtet man das Album als Ganzes lässt sich ein weiterer Schritt weg von Dispatch hin zum Alternative Rock erkennen. State Radio verlieren hierbei aber nicht ihren Wiedererkennungswert – zieht sich der Offbeat letztlich doch durch die gesamte Platte - , sondern vermitteln eher einen stärkeren und gefestigteren Eindruck.

Tamara Keuer

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