Rezension

St. Vincent

Masseduction


Highlights: Masseduction // Los Ageless // New York
Genre: Art-Rock // Pop
Sounds Like: PJ Harvey // Lady Gaga // Grizzly Bear // Kate Bush

VÖ: 13.10.2017

Das neue Album von St. Vincent hatte von Anfang an keinen leichten Stand, tritt es doch in große Fußstapfen: Der Vorgänger von 2014 wurde mit einem Grammy ausgezeichnet. Entsprechend groß waren die Erwartungshaltungen an dieses Album, das versprach, eines der persönlichsten Werke von St. Vincent zu werden. Die Wahl-New-Yorkerin Annie Clark, die hinter dem Projekt steckt, hat fast zwei Jahre daran gefeilt und ein asketisches Dasein aus Arbeit und noch mehr Arbeit geführt.

Die Themen auf „Masseduction“ sind breit gestreut: Es geht um das amerikanische Gesundheitssystem, das Tabletten gegen alles verschreibt. Jugend- und Schönheitswahn à la Hollywood. Und nicht zuletzt auch um amerikanischen Star-Kult – vor dem sich Clark selbst kaum retten kann. Die 35-Jährige nimmt eine bizarre Zwitter-Rolle ein: einerseits ist sie ein Liebling der Kritiker, andererseits wird sie wegen ihres Liebeslebens in die Boulevard-Presse gezerrt.

Genau dieser Zwiespalt macht jedoch auch die Spannung von St. Vincent aus. So verabschiedete sich Clark ja schon zu Beginn Ihrer Karriere vom Authentizitätsglauben der Singer/Songwriterszene. Stattdessen begab sie sich in Artrock-Gefilde und spielte fortan lieber mit Rollen als Gefühlen und Akustikgitarren. Dieser spielerische Charakter schwingt auch auf „Masseduction“ immer mit.

Hier ein Flirt mit Chartmusik, da ein paar synthetische Beats. Gitarren spielen dennoch weiterhin eine Rolle, stehen jedoch längst nicht mehr im Vordergrund. Textlich geht Clark hart mit der Welt und sich selbst ins Gericht. Zum Beispiel schwelgt sie bei „Sugarboy“ in SM-Fantasien und erotischen Abenteuern. Diese spielen sich aber nur in ihrem Kopf ab. Überhaupt geht es da, wo es um Sex geht, eher um Macht als um Erotik.

Produziert wurde das Album von Jack Antonoff, seines Zeichens Co-Produzent der letzten Platten von Lorde und Taylor Swift. Vielleicht kann man sagen, Antonoff hat die Musik von Clark etwas „entkopft“. Nicht, dass sie nicht immer noch smarte und komplexe Pop-Musik mache. Allerdings sind die Songs nun nicht mehr zwingend so sehr over the top wie einige ältere, die dann doch manchmal eine Idee zu vertrackt waren, um massentauglich zu sein.

Schwimmt Annie Clark nun also im Mainstream? Wahrscheinlich ist das ganze Album mit seinem Titel, den man als Massenverführung übersetzen kann, ein ironischer Kommentar dazu. Auf dem Cover jedenfalls streckt die Künstlerin der Welt ihren Hintern entgegen.

Christoph Herzog

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Video zu "New York"
Video zu "Los Ageless"

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