Rezension

Sparks

Exotic Creatures Of The Deep


Highlights: Good Morning // Let The Monkey Drive // This Is The Renaissance // Photoshop
Genre: Pop
Sounds Like: Pet Shop Boys // Bee Gees // Morrissey // Wild Beasts // Scissor Sisters // The Divine Comedy // Andrew Lloyd Webber // Duke Special // Erasure // Mike Patton

VÖ: 04.10.2008

Fast vierzig Jahre Bandgeschichte, über zwanzig Alben, knapp zwanzig Singles in den UK-Single-Charts, Top-of-the-Pops-Auftritte und immer an der kreativen und exzentrischen Speerspitze der Musik des 20. Jahrhunderts, zwischen Operette, Punk, Glam, Disco und Pop, das sind die Gebrüder Ron und Russell Mael, besser bekannt als Sparks. Unbeirrt stürzen sie auch auf „Exotic Creatures Of The Deep“ ihre Hörer in Ekstase und Bestürzung, verzaubern sie und verstören.

Dreizehn Songs lang hängen wir entweder begeistert oder entgeistert an Russells Lippen und Rons Tasten. Vielleicht handelt es sich tatsächlich nur einmal mehr um ein OKes bis fantastisches Sparks-Album. Möglicherweise schaffen die beiden Musiker es im 21. Jahrhundert nicht mehr, uns, die wir schon alles gesehen und gehört haben, zu beeindrucken, überrascht die verschroben-ungestüme Poppigkeit nicht mehr. Ja, wahrscheinlich wird auch „Exotic Creatures“ ein Album für eine Minderheit bleiben, wie die meisten Sparks-Veröffentlichungen der letzten 25 Jahre.

Aber stellen wir uns vor – und der Mehrheit fällt das sicherlich leicht –, weder „When Do I Get To Sing 'My Way'“ – ihr größter Erfolg in D-Land – noch die Smashhits aus dem Jahre 1972 „This Town Ain't Big Enough For Both Of Us“ und „Amateur Hour“ seien bekannt. Dann gibt es zwei sehr lohnende Möglichkeiten, einerseits den runtergepreisten Backkatalog zu entdecken, oder sich zurückzulehnen und das perfekte Pop-Album „Exotic Creatures Of The Deep“, diese Symphonie der bombastischen Minimalität, den exaltierten Falsett-Gesang und die Rhythmik des Tasteninstruments, den Surround-Sound der Streicher und die humoristischen oder ironischen Texte zu genießen. Der glamouröse Popzauber der Songs zwischen „Good Morning“ und „Likeable“, egal ob hymnisch, süßlich, repetierend, queer, pseudorockend oder minimal, wird die Kenner in ihren Meinungen bestärken und Neulinge entweder sofort abstoßen oder ebenso schnell begeistern. Eigentlich müssten die Vorreiter Sparks mit diesem Album auf einem vorbereiteten Feld gute Ernte einfahren, haben doch ihre jüngsten Nachgänger Scissor Sisters und Mika den Hörer auf Falsett-Gesang und Glamour, auf Disco und Barbershop gut vorbereitet. Es erscheint fast, als haben die Brüder im Wissen darum sich bei „Exotic Creatures Of The Deep“ eher in Richtung „Kimono My House“ denn z. B. ihres 2000er Albums „Balls“ orientiert.

Eine gewisse Offenheit – für triefende Streicher, feinen Witz und Selbstironie, kitschiges Piano und übertrieben schwere Gitarren – vorausgesetzt, finden sich auf „Exotic Creatures Of The Deep“ dreizehn erstklassige Popsongs mit Ecken und Kanten, mit spielerischer Tiefe und klanglicher Gelassenheit. Von der grandiosen Vorabsingle „Good Morning“ inklusive Danksagung an den überbeschäftigten Gott, über das fantastische „Let The Monkey Drive“, die ironische Musical-Schmonzette „I’ve Never Been High“ und die Weimarer-Republik-Cabaret-Nummer „(She Got Me) Pregnant“ hin zu den perfekten Popsongs „This Is The Renaissance“ und dem gegenwarts-kontemplativen „Photoshop“ überzeugt dies Album ohne eine Schwäche. Übertrieben, zurückgenommen, elektronisch, populär, klaviergetragen und immer gut. Sollte es dennoch nur eine Randgruppe ansprechen, lautet das ironische „Qué Será, Será“-Äquivalent der Brüder Mael, das sich wie ein roter Faden durch das Album zieht: „I don’t care if you love me, just so you like me / … / Like me, like me, like me, like me.“

Oliver Bothe

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