Rezension
Slut
StillNo1
Highlights: Wednesday // Odds And Ends // Better Living
Genre: Indie-Rock
Sounds Like: Muse // Nada Surf // Placebo
VÖ: 25.01.2008
Slut machen es uns mit dem Titel ihrer aktuellen Platte nicht einfach. So stellen die vier Ingolstädter mit ihrem mittlerweile sechsten Album (wir zählen die Ansammlung von Dreigroschenopercovern hier nicht mit, die aus lizenzrechtlichen Gründen letztendlich sowieso nur eine EP werden durfte) indirekt eine Behauptung in den Raum, die gleich mehrere Deutungsmöglichkeiten bietet: Slut - Still No1.
Still No1 - immer noch keine 1 - immer noch kein (wirklicher) Erfolg. Wer den Albumtitel so verstehen möchte, denkt wahrscheinlich an das Schicksal, das neben Slut bislang auch so gut wie jede andere deutsche Band mit englischen Texten ereilt hat: Vom Feuilleton und der "Szene" möglicherweise geliebt, von der großen Masse auf Dauer ignoriert. Unverständlich im Hinblick darauf, dass Slut schon mehrmals verboten nahe daran waren, den perfekten Popsong zu schreiben - für einen Song wie "Easy To Love" würde Matthew Bellamy anno 2008 wahrscheinlich seine letzte Hodenklemme eintauschen und "Why Pourquoi" konnte nicht mal der Blagenchor ruinieren, der bei der Performance für Stefan Raabs Bundesvision Song Contest "Ich glaub ich mag dich" über den Refrain kreischte. Von ähnlichem Format und theoretisch ein Traum jedes Radio-Intendanten ist nun "Come On", das ein merkwürdig hektisches Klaviermotiv zur Grundlage hat und wieder einmal demonstriert, warum Christian Neuburger trotz allem Timbres eine der ausdrucksstärksten Gesangsstimmen der Nation sein Eigen nennen kann.
Was Slut auf Still No1 jedoch mindestens genauso deutlich beweisen wie ihr Talent, Hits zu schreiben, ist, dass sie es eigentlich gar nicht nötig haben und dann am Besten sind, wenn sie auf jegliche Massenkompatibilität pfeifen. Auch in diese Richtung kann der Albumtitel nämlich gedeutet werden: Slut bestätigen auf "Still No1" (Hier "Still Number One" gesprochen) nämlich einmal mehr ihre Position als eine der interessantesten Bands des Landes, die Einflüsse der "Großen" des Genres verarbeiten kann, ohne wie eine bloße Kopie zu wirken. So erstellen die vier Bayern auf "Ariel" ein waberndes, detailverliebtes Klangmosaik, das auch die allmächtige "In Rainbows" um einen weiteren Farbton hätte bereichern können, während "Failed On You" ähnlich wohltuend wie Sigur Ros' "Hoppipolla" durch die Gehörgänge fließt. Déjà-Entendu-Effekte (für die Frankophoben: So wie "Déjà Vu", nur mit Hören statt Sehen halt) bleiben während der gesamten Länge des Albums aus, jeder Song bewahrt durch ein bestimmtes Motiv oder auch nur die Unterstreichung eines bestimmten Instruments seine Eigenständigkeit. Diese Instrumente können eher rocktraditioneller Natur sein, wenn wie bei "Tomorrow Will Be Mine" das Schlagzeug die Richtung vorgibt, eher ungewohnt mutet hingegen das Akkordeonsolo auf "Better Living" an.
Welche Deutungsmöglichkeit des Albumtitels im Hinblick auf den Albuminhalt nun sinnvoller ist, darüber soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Zumindest Christian Neuburgers gesungenes Statement "Whatever it takes to get numb, I'll be still number one" würde sowieso für die zweite Variante sprechen, und trotz aller Zweideutigkeiten in diesem Bereich stellen Slut auf "Still No1" wieder einmal völlig eindeutig ihre Klasse unter Beweis. Wer in Indie-Deutschland an sie heranreichen kann? Wahrscheinlich immer noch niemand - still no one.
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