Rezension

Slowthai

Nothing Great About Britain


Highlights: Nothing Great About Britain // Gorgeous // Toaster
Genre: Hip-Hop // Grime
Sounds Like: Dizzee Rascal // Sleaford Mods // The Streets

VÖ: 17.05.2019

Eigentlich sollte das Debüt von Slowthai pünktlich zum Brexit erscheinen. Nun im Dezember gibt es noch immer keinen vollzogenen Brexit – ein Glück, dass das Album „Nothing Great About Britain“ nach anfänglichem Zurückhalten immerhin dann im Mai veröffentlicht wurde: Es ist das wohl beeindruckendste musikalische Dokument eines Landes, welches seinen Kompass verloren hat.

Wer hätte zu Beginn des Jahres denken können, dass es überhaupt noch schlimmer für die Briten kommen könnte? Der Stand im Dezember ist vernichtend: Demokratische Prozesse wurden ausgehöhlt, mit Boris Johnson hat sich ein Hardliner, der rücksichtslos eigene Interessen vertritt, ins Premierministeramt gemogelt und wurde nun in vorgezogenen Neuwahlen mit unerwartet großem Abstand legitimiert. Bereits der Opener rechnet gnadenlos mit britischem Nationalismus ab, prangert Bigotterie und die Illusion einer offenen Gesellschaft an. Slowthai torkelt mit einer Flasche Buckfast durch den Buckingham Palace, pöbelt Queen Elisabeth als „Cunt“ an und findet dann doch immer wieder Liebe im Detail für eine Heimat, die ihn nicht wirklich haben will.

Musikalisch macht Slowthai einen Rundumschlag und verbindet Dizzee Rascal mit den Sex Pistols, erinnert in „Doorman“ an die Sleaford Mods und lässt sogar die Stiff Little Fingers mit „Alternative Ulster“ anklingen. „Nothing Great About Britain“ ist ein Potpourri wütender Musik und macht nicht vor Genregrenzen halt. Hier wird Grime mit Trap und Punk verquirlt. Klar, natürlich kann man nicht 17 Songs lang wütend sein und so findet Slowthai dann doch Frieden im Privaten, besonders eindrücklich im introspektiven „Gorgeous“ oder „Toaster“. Während andere Rapper mit ellenlangen Gästelisten protzen, hält sich Slowthai dezent zurück. Natürlich zieht ein Name wie Skepta die Aufmerksamkeit auf „Inglorious“, der dann doch ein recht routinierter Song bleibt.

„Nothing Great About Britain“ schafft den Spagat, gleichzeitig eine gnadenlose Abrechnung mit dem Heimatland und dann doch so typisch britisch wie „T N Biscuits“ zu sein. Diese Art von Hip-Hop könnte aus keinem anderen Land stammen und alleine deshalb verdient er Beachtung in einem Jahr, welches zum großen Teil außer lallenden amerikanischen Drogenwracks nicht sonderlich viel zu bieten hatte. Egal, wie der Brexit nun ausgeht: Es wird hässlich. Hoffentlich sorgt das immerhin dafür, dasss mehr junge Menschen wieder Mikros in die Hand nehmen und ähnlich beeindruckende Kunst schaffen: „Make Britain Great Again“.

Yves Weber

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