Rezension

Sleep Station

The Pride Of Chester James


Highlights: What You Hide // Anna // Hell Has Come With Me // Fall
Genre: Americana // Folk
Sounds Like: Iron And Wine // Bright Eyes // Grandaddy // Two Gallants

VÖ: 29.02.2008

Manchmal ist es schwierig, über Musik zu reden oder zu schreiben, die man ins Herz geschlossen hat. In schnöde Worte zu kleiden und anderen begreiflich zu machen, warum genau man sich in einen Song, ein Album, eine Band verliebt hat, die an sich auch nichts anderes macht, als Melodien und Rhythmen zu einem großen Ganzen zu schmieden. "The Pride Of Chester James" von Sleep Station ist so ein Album: Eigentlich nicht mehr als elf Americana-Folk-Singer-Songwriter-Schätze irgendwo zwischen Iron & Wine, Arab Strap und Two Gallants, zusammengehalten von drei kurzen Interludes. Eigentlich. Was macht "The Pride Of Chester James" also für mich bloß so bezaubernd?

Beginnen könnte man nun mit der sicherlich nicht ganz uninteressanten Tatsache, dass Sleep Station ihrer Tradition, mit Vorliebe Konzeptalben zu veröffentlichen, treu geblieben sind. "The Pride Of Chester James" vertont die Geschichte eines kleinwüchsigen Geschwisterpaares - Anna und eben Chester James -, die sich aufgrund ihres körperlichen Defekts erfolgreich um eine Stelle in einem Wanderzirkus bewerben. Das Leben als Sideshow-Freaks erweist sich jedoch als Hölle für die Zwei, die dadurch noch grausamer gestaltet wird, dass sich Zirkusdirektor Mr. Coughlin an Anna vergreift. Das Ende der Tragödie: Chester setzt den kompletten Zirkus in Brand und flüchtet mit seiner Schwester. Das Album will nun quasi als Soundtrack der Geschichte verstanden werden, der die Zeit zwischen dem anfänglichen Jobgesuch ("Hello Mr. Coughlin") und dem Morgen nach der Flucht ("Our Carnival") umspannt. Ein berührendes Thema, aber kaum ausreichend, um meine Liebe zum Album zu rechtfertigen - schließlich reicht ja umgekehrt auch ein toller Soundtrack nicht, um einen Film sehenswert zu machen.

Also zur Musik - natürlich. Wie bereits erwähnt, gehen Sleep Station eigentlich nicht unter jene Ingenieure, die das Rad der Musik neu erfinden oder ihren Instrumenten magische zusätzliche Saiten anzurren möchten. Auch brauchen sie neben einem akzentuierten, meist akustischen Gitarrenspiel nicht viel mehr als die handelsübliche Rhythmus-Section und vielleicht hier mal ein Klavier oder dort eine Trompete, um zu tun, was sie tun: Wunderbare Lieder schreiben, deren allgemeine Schönheit sich meist durch Blick auf große und kleine Details offenbart: Wie Dave Debiaks honigsanfte Stimme, die sich wie eine Wärmflasche für die Seele in die Gehörgänge schmeichelt und auf "Hell Has Come With Me" zwischen flüsternder Zerbrechlichkeit und aggressiver Intensität alterniert. Wie die deutliche, aber doch unaufdringliche Spiritualität, die sich insbesondere durch Texte von Songs wie "Hello Mr. Coughlin" und "Always In The Fire" zieht. Wie der melancholische Grundtenor des Albums von einem beinahe fröhlichen beinahe-Country-Song wie "Tired Of Me Now" konterkariert wird und die sanfte Trompete, die das Ende von "Fall" einläutet, Wärme spendet wie der erste Sonnenstrahl, nachdem der kalte Winter die Welt zu Eis erstarren ließ. Wie....wie...

Wie...ja, wie soll man Musik letztlich eigentlich in Worte fassen? Wie den Klang einer Stimme oder eine Trompete beschreiben? Frank Zappa meinte einst, dass über Musik zu schreiben ähnlich unmöglich wäre, wie zu Architektur zu tanzen. Falls dem so ist, sollte diese Rezension als Hochzeitswalzer verstanden werden, der auf einer schlicht gehaltenen, aber dennoch glanzvollen und wunderschönen Hochzeitsfeier in Sanssouci getanzt wird. Zum Abschluss, wenn nur noch die engsten Freunde anwesend sind und die Verliebten gerührt, im Kronleuchterschein betrachten. In einem Augenblick, der nicht in Worte zu fassen sein wird.

Jan Martens

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