Rezension

Sizarr

Nurture


Highlights: Slightly // Scooter Accident // How Much For This?
Genre: Pop // Synthies
Sounds Like: The Police // Morrissey // Editors // Reptile Youth

VÖ: 27.02.2015

Fabian Altstötter, Philipp Hülsenbeck und Marc Übel sind erwachsen geworden. Das sagt jedenfalls die Plattenfirma. Sie selbst setzen sich auf ihrem zweiten Album zumindest mit dem Erwachsenwerden auseinander. Schon der Titel "Nurture" tut dies. "Erziehung / Ernährung" bedeutet der. Fabian, der als Sänger, Songschreiber und auch als Artwork-Artist bei Sizarr tätig ist, hat sich auf "Nurture" damit beschäftigt, was wohl den fertigen Menschen ausmacht. Was bewirkt die Anlage, was die Umwelt? Wie reift der Mensch heran, was macht ihn erwachsen?

Im Zuge dessen stellt sich die Frage, wer denn die (musikalische) Erziehung bei Sizarr übernommen hat. Haben sie sich selbst erzogen? War es das mitunter "schräge Musikbusiness" mit "viel Gerede und komischen Partys"? Oder doch die Eltern, die noch irgendwie aus dem Hintergrund agiert haben, bei den mittlerweile über 20-jährigen? Vielleicht waren es auch die musikalischen Vorbilder, ganz unbewusst jedenfalls. Denn natürlich sind Sizarr nicht frei von ihren Einflüssen, auch, wenn sie nicht bewusst nach diesen klingen wollen.

Im Opener "Clam" hört man Gitarren, die nach The Police, und einen Fabian Altstötter, der nach Morrissey klingt. An anderen Stellen scheinen deutliche Vorlieben für die Synthies der 80er durch, 90er Boygroups lassen hier und da in Popexplosionen grüßen, dann dem aktuellen Trend folgende, futuristisch, psychedelische Indie-Sounds, à la Fenster oder den Ωracles. Zum Glück klingen Sizarr aber auch immer noch nach sich selbst, nach dem Sizarr-Sound, der sie weit über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt gemacht hat. Einen großen Teil dieses Sounds macht dabei Fabians Stimme aus, die in manchen Teilen des Albums aber gar nicht mehr so sehr nach der zerbrechlichen, rauen, gleichzeitig aber kraftvollen Stimme klingt, die für die Band so typisch ist. Er probiert sich aus, die Stimme klingt auf "Nurture" wesentlich weicher und auch melancholischer, aber auch unspektakulärer.

Bis auf einen Song stammen die Lyrics von Fabian. Er setzt sich darin weitestgehend mit Themen auseinander, die eben einen heranreifenden jungen Mann beschäftigen. Die Texte wollen tiefgründig klingen, das gelingt ihnen aber leider nicht. So wirken sie immer wieder zu platt und simpel, wie im Song "Baggage Man", wenn Fabian singt: "Could you pick me up from school today // My mom would make some lunch for two". An anderer Stelle scheinen sie eine Reflexion des bisherigen Lebenslaufs zu sein "I´m over twenty now // Have I missed the point by staying sane?" ("Untitled"). Was neu ist, sind einige wenige Wörter auf Deutsch, die sich in den Songs "Baggage Man" und "Slender Gender" finden lassen. Während Fabian deutsche Texte früher affig fand, setzt er sie nun bewusst ein – und auch, weil ihm für bestimmte Wörter keine passende Übersetzung eingefallen ist. Da man genau hin hört, wenn man auf einmal die deutsche Sprache erkennt, fangen sie auf jeden Fall die Aufmerksamkeit ein.

Für "Slightly" hat Philipp den Text beigesteuert. Der Song an sich ist der herausragende der Platte. Leise kommt er daher, mit mehrstimmigem Gesang, psychedelischen Soundschichten und einem eingängigen, aber nicht aufdringlichen Refrain. Auch beim Song "How Much For This" freut man sich, wenn, vor allem bei den Drums, dann doch noch etwas Experimentierfreude durchbricht. Mit "Untitled" ist auch die Klavierballade, die auf jedes gute Popalbum gehört, dabei, mit "Soccer Accident" der typische Sizarr-Song, der sich als Single gut verkaufen lassen wird. Im Allgemeinen fehlt der Platte aber das gewisse Etwas.

"Erwachsen klingen" scheint in Bezug auf Sizarr von der Plattenfirma wieder einmal als Synonym für "lahmer als früher klingen" gebraucht zu werden. Der jugendliche Leichtsinn und die Naivität, die die ersten Songs der Band so besonders gemacht hat, fehlt "Nurture". Was darauf zu hören ist, sind Songs, die gefallen wollen. Vielleicht sollten die Jungs insofern noch ein wenig reifen, dass sie es nicht allen Recht machen wollen und einfach selbstsicher ihr Ding machen.

Marlena Julia Dorniak

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"The Place Beyond The Pines" auf der Kirmes: "Scooter Accident"
Spirituelle Riten in "Timesick"

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"Baggage Man" im Stream

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