Rezension

Siskiyou

Nervous


Highlights: Deserter // Bank Accounts And Dollar Bills // Violent Motion Pictures // Nervous
Genre: Chamber-Folk
Sounds Like: Timber Timbre // Tindersticks // Nick Cave // Solander

VÖ: 16.01.2015

Auf Constellation Records aus Montreal ist einfach Verlass. Die Ankündigung im Herbst 2014, das im Januar 2015 erscheinende neue Siskiyou-Album sei großartig, war, wie sollte es auch anders sein, absolut ernstzunehmen. Neues Jahr, neue Constellation-Records-Platte, feiner kann so ein neuer Kalenderzyklus kaum starten. Und „Nervous“ passt dann auch noch perfekt zum Januar. Es ist eine Platte, die spürbar von kalten Winden durchzogen wird. Sie ist, soviel sei bereits verraten, das (bis heute) herausstechende Meisterwerk der Band.

Doch lange sah es nicht danach aus. Mastermind Colin Huebert wurde im Entstehungsprozess von einer schweren Angststörung inklusive regelmäßiger Panikattacken heimgesucht, ein schwerer Tinitus ging damit einher. Keine Therapie schlug zunächst an. Huebert meditierte lange, bis Besserung schleichend eintrat und die Band extrem leise an neuen Songs probte. Diese besondere Stimmung ist auf der Platte ständig zu spüren. Huebert hat in der Meditation nur aus seinem Innersten geschöpft und so seine bisher besten Songs geschrieben.

Siskiyou machen Kammer-Folk par excellence, und der erste Song „Deserter“ ist das perfekte Prequel für die Platte, die mit „Nervous“ kaum treffender betitelt sein könnte. Der Song durchläuft das, was den Hörer auf der Platte erwartet: Vielfältige, mitunter schräge und verzweifelte Folkmusik. Nach dem songeigenen Vorspiel baut sich „Deserter“ bedacht auf, der Song steckt voller Details, die dank der sehr guten Produktion nebeneinander hervorstechen. Siskiyou klingen nicht breit oder großspurig, nutzen die Kammer, in der sie spielen, aber voll aus. Man nehme nur die antreibende Gitarre im Refrain, fast schon zu weit weg vom Grundgerüst des Songs produziert, aber trotzdem noch absolut dazugehörig. Und als das Stück einen für gewöhnliche Songs bereits feinen Abschluss gefunden hat, setzt ein Saxofon ein und hebt „Deserter“ endgültig auf die Ebene der außergewöhnlich brillanten Songs. Wie gesagt – stellvertretend für die gesamte Platte.

Vielfältig sind auch die Lyrics, mal flüstert Huebert, mal jault er nahezu. So etwa in „Bank Accounts And Dollar Bills“, einem offen klingenden, dunklen Folksong voller andächtig nachhallender Gitarren. Erst ist da ganz viel Verzweiflung, dann geflüsterte Zuversicht: „This is the life we have // so give peace a chance“. Auch vermeintlich einfache Textzeilen wie diese wirken nicht unpassend auf „Nervous“, das vermutlich auch am Ende von 2015 eine der besten Folk-Platten des Jahres sein wird, gerade weil es nicht nur Folk ist, sondern eine Menge wagt. Seine Songs sind angetrieben von Angstgefühlen, der Gefangenheit im eigenen Kopf, bedacht singt Huebert, über beeindruckende Arrangements hinweg, gegen sie an. „Nervous“ komplett zu hören fühlt sich mehr an, wie ein richtig gutes Theaterstück gesehen zu haben, als einfach nur eine Platte aufzulegen.

Daniel Waldhuber

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