Rezension
Sébastian Tellier
My God Is Blue
Highlights: Sedulous // Russian Attractions // Draw Your World
Genre: Electro Pop // Meditation // Futuristic
Sounds Like: Jean Michelle Jarre // Air // René Aubry // Gabriel Yared // Gandahar
VÖ: 08.06.2012
Ein wenig selbstverherrlichend und blasphemisch wirkt das Ganze ja schon… da nennt Sébastien Tellier sein neues Album „My God Is Blue“ und ziert das blaue Cover auch gleich mit einem Selbstbildnis, dem man vorwerfen könnte, es sei eine prototypische Jesus-Darstellung: Die Augen hoffnungsvoll nach oben blickend, von wo ein helles Licht sein Antlitz erleuchtet, wallendes, schulterlanges Haar und Rausche-Bart. Die Frisur und den Bart hatte er auch vorher schon, da kann man ihm keinen Vorwurf machen, aber die beschriebene Selbstinszenierung ist genau durchplant. Auch die Musikvideos und Videobotschaften, die es auf seiner Homepage zu sehen gibt, lassen daran keine Zweifel: Sebastién Tellier zeigt sich als der Erleuchtete, der die frohe Botschaft verkündet.
Telliers frohe Botschaft und sein Lebensmotto könnten momentan „I´m blue, dabadidabadei!“ lauten – wobei er sich wahrscheinlich nicht auf den Gemütszustand, sondern lediglich auf die Farbe Blau an sich festnageln lassen würde, denn sein Gemüt scheint derzeit ganz und gar von Glück erfüllt zu sein. Oder zumindest von Hoffnung, dass bald das blaue Glück über die gesamte Erdbevölkerung schwappt und diese zur Erkenntnis bringt: „Don’t listen to my album. Listen to my message,” sagt er. „Enter into vibration with my music. Let’s merge our dreams, together spreading this communal energy in an immense blue wave that will wash over the world – and the truth will emerge.”
Seinen Internet-Auftritt hat die blaue Welle bereits überrollt. Ob Myspace, die eigene Homepage, oder andere Internet-Seiten, die man in der Farbe anpassen kann, alles erstrahlt in einem leuchtenden, von Glückseligkeit erfüllten Blau. Von Seiten der Farbtherapie hat er damit alles richtig gemacht, denn nach Ansicht von deren Anhängern wirkt Blau beruhigend und entspannend und eignet sich optimal, um inneren und äußeren Frieden zu finden und um Stress und Hektik abzubauen.
Zum Stressabbau trägt nicht nur das Blau, sondern auch Telliers Musik bei. Der Opener des Albums, „Pepito Bleu“, bietet zu Beginn typische Meditationsmusik, bei der man automatisch beginnt ruhiger zu atmen. Der sakrale Chor, der nach einiger Zeit einsetzt, begleitet Telliers Erzählungen, die er mit ruhiger, fester Stimme auf Französisch vorträgt. Im Video zum Song dienen die englischen Untertitel zur Übersetzung. Die überwältigenden Bilder sprechen allerdings bereits ihre eigene Sprache. Der nächste Song, „The Colour Of Your Mind“, lässt das Herz immer noch ruhig und gleichmäßig weiterschlagen, bietet allerdings wesentlich futuristischere Klänge. In „Sedulous“ zieht Tellier das Tempo etwas an und präsentiert feinste Popmelodien mit Bläserbegleitung und wechselnd englischem und französischem melodischen Gesang. „My God Is Blue“ ist zwar prinzipiell ruhig gehalten, es verstecken sich aber auch einige groovende Momente unter den Songs. So zum Beispiel in „Against The Law“, das mit wummernden Synthies und tiefem, französischem Gesang daher kommt.
Insgesamt hat Sébastian Tellier sein Konzept rund um das Album „My God Is Blue“ so gelungen und realistisch gestaltet, dass man Angst bekommen könnte, dass da einige Menschen, die gerade auf der Suche nach sich selbst und nach ihrem Gott sind, auf die Idee kommen könnten, das Ganze zu ernst zu nehmen. Reduzieren sollte man Tellier aber nicht auf seine spirituelle Ironie. Das wäre nämlich schade, denn dann würde seine Musik in der großen blauen Welle einfach lautlos untergehen.
Die blaue Allianz im Internet
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