Rezension

Rodrigo y Gabriela

11:11


Highlights: Hanuman // Buster Voodoo // Master Maqui// 11:11
Genre: Acoustic // Spanish Guitar
Sounds Like: Al Di Meola // Paco De Lucia // John McLaughlin

VÖ: 04.09.2009

Spanish Guitar ist nicht gerade die Art von Musik, mit der man heute außerhalb der iberischen Halbinsel große Erfolge feiern kann. Für viele beschränkt sich der Genuss dieses Stils auf den Mittelmeerurlaub, das eine oder andere Straßencafé oder den Latein-Tanzkurs. Das ist ein wenig ungerecht, wo es doch gerade in diesem Umfeld viele talentierte und technisch starke Gitarristen zu entdecken gibt, deren Spiel sich schon von der Anlage her fundamental von dem ein oder anderen Gitarrenvirtuosen unterscheidet - nehmen wir mal Steve Vai oder Joe Satriani als Beispiel. Dass Rodrigo Sanchez und Gabriela Quintero den Sprung von der Fußgängerzone Dublins an die Spitze der irischen Charts schafften und danach durch die halbe Welt touren konnten, ist da schon ein kleines Wunder - was sicher nicht nur an den starken und extrem eigenständigen Coverversionen wie von Led Zeppelins "Stairway to Heaven" oder Metallicas "Orion" liegt, die den Bekanntheitsgrad der Band stark pushten.

Rodrigo y Gabriela sind anders. Das merkt man schon nach wenigen Sekunden. Wer hier Standard-Flamenco-Gezupfe sucht, wird nicht glücklich, zumindest nicht, wer nur das sucht. Wer bereit ist, ein bisschen über den Tellerrand zu schielen, kommt aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Gabrielas Rhythmusgitarrenspiel mit ihrer Saiten-Anschnips-Technik ist einfach einmalig (ich verweise an dieser Stelle mal unauffällig auf das „Guitar Tips“-Video auf Youtube). Da muss man schon genau hinsehen oder hinhören, um zu bemerken, in welcher Geschwindigkeit und Klasse Rodrigo seine Solos spielt. Einflüsse aus vielen Bereichen rund um unser Lieblingsinstrument sprudeln aus den beiden nur so heraus, von Jazz bis hin zur Weltmusik ist eigentlich alles dabei, Metal ist dabei der Stil, der am häufigsten auftritt. Vor fünfzehn Jahren waren Rodrigo und Gabriela selbst noch Mitglieder einer Trash-Metal-Combo in Mexico City, vergessen haben sie das anscheinend nie.

Auf „11:11“ ändern Rodrigo y Gabriela ihr Konzept. Vieles wurde live eingespielt und echte Cover gibt es nicht mehr, dafür ist diesmal jeder Song eine Hommage oder - in Rodrigos Worten - ein „musical gracias“. Teilweise sind diese Anspielungen sehr direkt, „Buster Voodoo“ ist eine offene Verbeugung vor Hendrix' „Voodoo Chile“. Dass unter Mithilfe der Akustikgitarristen „Strunz & Farah“ eingespielte „Master Maqui“ ist ein klarer Verweis auf Altmeister Paco De Lucia. Unter den Fittichen von Produzent Colin Richardson (Slipknot, Trivium) hat „11:11“ vieles, was dem Debüt und den beiden vorangegangen EPs fehlte, wie Percussionelemente, E-Gitarren, Gäste, ein bisschen Piano und viele Saiteninstrumente aus allen möglichen Ländern. Wer den schlichten Gitarren-gegen-den-Rest-der-Wert-Stil geliebt hat, muss das erst mal verarbeiten. War diese Änderung nötig? Auf keinen Fall. Klingt es gut? Definitiv. „Hanuman“ und „Buster Voodoo“ sind ein zackiger, schneller und tanzbarer Einstieg in „11:11“, das genau so durchstartet wie das letzte Album mit „Tamajun“ und „Diablo Rojo“. Nach und nach werden die Songs verschachtelter und langsamer und die kleinen Details und leisen Töne interessanter, auch wenn sich das Album manchmal etwas darin verliert und mehr geradlinige Songs hätte vertragen können. „11:11“ ist dann nochmal der butterweiche Abschluss mit richtig viel Gefühl und Atmosphäre.

Wer schon ein Konzert der Band gesehen hat, konnte auch ohne besonders ausgeprägte Auffassungsgabe leicht erkennen, dass bei den Coverversionen die Stimmung im Publikum am stärksten ist. Durch die Hommage-Taktik erhalten sich Rodrigo y Gabriela einen großen Teil ihrer Selbstständigkeit und geben der gierigen Fan-Meute trotzdem das, wonach sie verlangt. Ein Schicksal wie das von „Apocalyptica“ lässt sich mit diesem Kompromiss so hoffentlich vermeiden...

Marcel Eike

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