Rezension

Robert Forster

The Evangelist


Highlights: If It Rains // Did She Overtake You // Let Your Light In, Babe
Genre: Gitarrenpop
Sounds Like: The Go-Betweens // Edwyn Collins // The House Of Love

VÖ: 04.04.2008

Ein Werk – Buch, Album, Film oder Bild – über dem der Tod des langjährigen Arbeitspartners des Schaffenden schwebt, verleitet dazu, es tatsächlich vornehmlich unter dem Gesichtspunkt dieses Verlustes – für Künstler und Fan – zu betrachten und zu sentimentalisieren. Gerade Robert Forsters „The Evangelist“ steht besonders unter dem Eindruck des überraschenden Todes Grant McLennans im Jahre 2006. Nicht nur finden sich dessen Worte in „Demon Days“, „Let Your Light In, Babe“ und „It Ain’t Easy“, auch wirkt „The Evangelist“ subjektiv durchgängig wie ein Album der Go-Betweens. Doch es fehlt etwas – und es ist nicht nur Grant McLennan.

So gewinnend, gelungen und betörend die Stücke auch sind, so sehr der – hier schreibende – Hörer sie lieben (in jedem Wortsinn) möchte, sie berühren ihn nicht. Natürlich ist Rührung immer eine subjektive Regung; dennoch verstört es im Rahmen einer Musik, die in ihrer Ruhe und Emotionalität ausgelegt erscheint, zu bewegen, wenn es gerade hier nur einige wenige Momente – unter anderem für wenige Takte in „Did She Overtake You“ – gibt, die greifen.

Robert Forsters Lieder auf „The Evangelist“ entstammen jener Gattung pastellfarbener Melodien, die selbst mit kräftigeren eingesprengselten Farbtupfern, mitreißenderen Taktfolgen also, eine melancholische Aura verströmen, die weder für den sonnigen Sommer noch den schneeweißen Wintertag geschaffen sind, die vielmehr im Zwielicht, im grauen Regen oder in Zeiten des Übergangs, des Entstehens oder Vergehens wirken wollen. Während diese nordeuropäische Sichtweise ein großes Maß Sentimentalität impliziert, benennt der Australier Forster „The Evangelist“ als ein Album der „blauen Stunde“, der Zeit zwischen geschäftigem Tag- und Nachtwerk, in der die nachgelassene Hitze des Tages erlaubt, die Frische der Natur und das Ausklingen des Tages zu genießen. Explizit bespielt dies der Song „Pandanus“. Beiden Lesarten eigen ist das Bewusstsein für die Vergänglichkeit von Zeit.

Forster erzählt Geschichten voller Leichtigkeit in einem schwergewichtigen Tonfall, Stories, die Interpretationsspielraum geben. Begleitet von der meist einfachen, nur in entscheidenden Momenten intensiveren musikalischen Inszenierung durch zum Beispiel das Einspielen von Gewittergrollen, sterben die Songs in Schönheit. Lieder, gemacht um sich darin zu verlieren, plätschern lose am Ohr vorbei. Momente der „Rührung“ sind selten.

Zarte Streicher, intensive Hammond-Orgel-Passagen oder treibend Countryeskes liefern erwähnte Farbtupfer, schaffen jedoch keine Tiefe. In der Regel wirkt pastellfarbene Musik – anders als ebensolche Kleidung – nur dezent und weiß dadurch normalerweise nachhaltig einen Platz im Ohr zu finden. „The Evangelist“ dagegen wirkt selbst im Nachklang nur dezent. Es ist schöner, reduzierter, feiner und tiefsinniger Gitarren-Pop, doch leider kein bisschen mehr.

Oliver Bothe

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