Rezension

Räuberhöhle

Deep In The Forest


Highlights: Deep In The Forest // Shake Yr Anus // Good Ppl // Angry Dancy
Genre: Elektro-Punk-Trash
Sounds Like: Saalschutz // Egotronic // Frittenbude // Minipli 550 // Le Tigre // Toxic Lipstick

VÖ: 17.04.2009

Räuberhöhle. Wie sich das schon anhört. Nach Chaos, nach einer Mama, die über das unaufgeräumte Zimmer meckert. „Hier sieht es ja aus wie in einer Räuberhöhle!“ „Ja, ja!“ Denkt man sich da doch. Was wohl die Mamas sagen würden, wenn man zum Chaos im Zimmer auch noch diesen Soundtrack aufgelegt hätte? Wenn man sich die Meinungen dreier Mädchen anschaut, dann wäre die der Mutti wahrscheinlich nicht besonders gut ausgefallen:

Ah Räuberhöhle, die Band, die die anderen Mädels früher Mal hochgejubelt haben - wahnsinnige Live-Show und so. Ich bin gespannt, packe die CD aus und möchte meiner französischen Mitbewohnerin mal einen adretten Berlinimport zeigen. Drei Songs später schließt sie die Küchentür und ich sitz allein mit diesem Mädchen-Techno-Pop.

Das Album gleicht einem großen Grützentopf, der seit den 90ern nicht mehr umgerührt worden ist. Die bekannten Micromusic-Motive von Räuberhöhle werden in "Deep In The Forest" fast ausschließlich durch technoide Synthie-Flächen ersetzt und erinnern in der Qualität an Two Unlimited. Krawallas Gesang grenzt an ein variationsloses Effektwunder und zieht sich monoton durch alle Tracks. Diesen Toys‘R‘Us-Trash können selbst die ein oder anderen inhaltsvollen Texte oder ein interessanter Hörspielsong mitten im Album nicht ausgleichen.

Ist das eine intolerante oder langweilige Ansicht? Anscheinend ergeht es auch anderen Hörern nicht besser:

Ich schiebe die Räuberhöhle-CD ein und freue mich, was ich von der Prinzessin des DIY in Albumlänge wohl erwarten kann. Nach dem dritten Lied schalte ich verstört ab. Was ich höre, gefällt mir nicht. Aber ich gebe ihm noch eine Chance, höre das Album noch einmal durch. Allerdings mit dem gleichen Ergebnis. Das ist nichts für mich. Pubertierender Mädchentechno, möchte man aufs erste und vielleicht auch aufs zweite sagen.

Aber je mehr ich mich mit Räuberhöhle beschäftige, desto mehr denke ich darüber nach, ob es vielleicht nicht an ihrer Musik liegt, sondern an mir. Dass mich diese Musik, die, um es auf den Punkt zu bringen NICHT Mainstream und auch NICHT Independent ist, verstört. Während ich einen Artikel über Peaches lese, bemerke ich plötzlich viele Parallelen zwischen ihr und Räuberhöhle. Beide machen etwas Eigenes, etwas Anderes als das Gewohnte, auch etwas Unschönes. Obwohl Räuberhöhle äußerlich nicht unschön ist und auch keine lange Achselbehaarung hat. Auf der Bühne sieht sie aus wie eine kleine Prinzessin, die mit ihrem treuen Bär an der Seite eine hübsche Show bietet. Ein richtiges Puppentheater findet dort statt, wie in unserer Kindheit, in der alles so schön war. Nur die Musik dazu, die ist grässlich und lässt aufhorchen, und einiges in Frage stellen. Das finde ich gut und auch irgendwie schön.

Wenn man nun schließlich Fans und Liebhaber befragt, welche Gefühle sie mit Räuberhöhle verbinden, dann erfährt man zum Beispiel solch erfreuliche Dinge wie, dass sich echte Männerfreundschaften beim gemeinsamen Bewundern vom quiekenden Live-Puppentheater gebildet haben. Schön, dass es so etwas Gutes noch gibt. Aber heißt das nun, dass diese „Mädchen-Musik“ vielleicht doch eher etwas für Jungs ist?

Abwarten und gespannt sein wie sich das charmante Geplärre auf Tonträger gebannt auf das eigene Gemüt ausübt. Zu allererst stimmt es einen fröhlich, dann animiert es zum Tanzen und Springen, und wenn man ganz genau hin hört, bringt es einen auch zum Nachdenken. Denn wie schon immer Fabeln und Märchen alles andere als nichtssagende Kindergeschichten waren, wirkt auch Räuberhöhle nur äußerlich wie ein naives Puppentheater. In dieser tollen Verpackung sind allerhand kritische Texte versteckt. Und so bemerkt man fast nur nebenbei, wenn es um tiefgründige Themen, wie zum Beispiel den Deutschen Volkszorn, oder die allgemeine Vorstellung vom guten Menschen geht.

Und bei den ganzen Schosen kommen dann so einige Fragen auf: Haben gute Menschen immer ein aufgeräumtes Zimmer? Oder sieht es darin eher aus wie in einer Räuberhöhle? Und muss Musik immer unanstrengend sein?

Marlena Julia Dorniak

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