Rezension

PTTRNS

Body Pressure


Highlights: Resonate // Dice // Unresolved
Genre: Electro-Rock
Sounds Like: WhoMadeWho // LCD Soundsystem // Metronomy

VÖ: 12.04.2013

Zu Beginn des Openers „Healing“ wird man unweigerlich an einige Ratatat-Tracks denken, sphärische Klänge schwellen langsam an, zum anfangs mystischen Sound gesellt sich rasselnde Percussion, bis nach gut einer Minute eine treibende Bassdrum einsetzt. Die Musik bahnt sich ihren Weg vom Kopf in den Körper, es wird fast unmöglich, still zu sitzen. Der Rhythmus erfasst nach und nach sämtliche Gliedmaßen.

Der Titel des neuen Albums der Kölner Band PTTRNS ist „Body Pressure“, in Anlehnung an das gleichnamige Performance-Kunstwerk von Bruce Nauman. Und so wie Nauman in den 1970er Jahren experimentieren auch PTTRNS mit der Körperlichkeit in der Kunst, gesellschaftlichen Verhaltensvorschriften und der Rolle des Künstlers. Ein zentrales Element der Auftritte der Band sind expressive Tanzeinlagen – wahrscheinlich gelingt es den vier Musikern einfach selbst nicht, zu ihrer Musik die Füße still zu halten. Die Maxime „everyone plays everything“ bedeutet nicht nur, dass die Instrumente wild zwischen den einzelnen Bandmitgliedern wechseln. Nein, auch das Publikum wird aktiv mit einbezogen und mit Percussioninstrumenten ausgestattet, so dass die Grenze zwischen Bühne und Zuhörerraum ebenso aufgehoben wird wie jene zwischen Künstler und Besucher. Zu dieser unmittelbaren rhythmischen Eindringlichkeit gesellen sich auf „Body Pressure“ politische Texte im Raum von Intimität und sexueller Selbstbestimmung. Es stellt sich die Frage: Ist die (sexuelle) Revolution tanzbar? Falls ja, wären PTTRNS mit Sicherheit die Vortänzer dieser Bewegung.

Musikalisch lassen sich Parallelen zu WhoMadeWho oder dem LCD Soundsystem ziehen, der Rhythmus steht im Vordergrund, die Einflüsse von Disco, Afrobeat und R'n'B machen sich deutlich bemerkbar. Das Fundament bildet jedoch der Postpunk- und Mathrock-Hintergrund der vier Bandmitglieder. Das Ergebnis dieser Synthese ist ein experimenteller, sehr eigenständiger Sound, der sich dennoch durch eine packende Unmittelbarkeit auszeichnet. Besonders „Dice“ und „Unresolved“ erinnern mit ihrem mehrstimmigen Falsettgesang an eine tanzbarere, weniger gitarrenlastige Version von Marr. Digitale und analoge Elemente werden gekonnt verwoben, so dass sich „Body Pressure“ stets durch und durch organisch anhört, der Aufbau der Songs allerdings in seiner Dramaturgie auch an die Vielschichtigkeit einiger Techno-Tracks erinnert.

Es wird also einiges geboten, für die Beine und den Kopf, für Oberseminar-Theoretiker und Dancefloor-Praktiker. Freunde des intelligenten tanzbaren Electro-Rock sollten also auf jeden Fall in das Album rein hören oder noch besser die Gelegenheit wahrnehmen, eine PTTRNS-Performance live zu erleben – die sind nämlich wahrhaftige Erlebnisse.

Christoph Herzog

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