Rezension

Patrick Wolf

Wind In The Wires


Highlights: The Libertine // Teignmouth // Ghost Song // This Weather // Tristan
Genre: Folk // Electronic // Indie-Pop
Sounds Like: The Notwist // Radiohead // Bright Eyes // The Postal Service

VÖ: 21.02.2005

Mondfinsternis

Es beginnt mit einem zärtlichen Piano und einem ganz leichten Elektrozirpen. Eine etwas verstimmte Geige gesellt sich hinzu. Das Piano und die Geige bilden eine Symbiose, wie sie inniger nicht sein kann. Da setzt der Beat ein. Geige und Piano spielen sich noch immer Fetzen hin und her. Und dann die alte vertraute Stimme. Man hört ihm gerne zu. "The Libertine" hat Tempo. Indieclubs, Patrick kommt. Tanzbar, sehr schön. Aber auch für die Tresenrumhänger toll, man kauft ihm seine Geschichte ab.

Darauf folgt "Teignmouth". Der Song beginnt, wie ich mich gerade fühle. So melancholisch, dass es weh tut. Chor. Macintosh. Patrick. Man weiß, was er meint, auch wenn es völlig unverständlich ist, man will ihm zuhören, ihn erzählen lassen. Ein Typ, der aussieht, als hätte er gerade so mit Ach und Krach sein Abi geschafft, da er lieber auf Klezmer-Konzerte gegangen ist, als zu pauken, aber eine Stimme, wie die von einem der Soldaten im Krieg, die dazu da sind, den anderen Mut zu machen. Patrick schafft es, seinen Zement zu keinem Zeitpunkt erstarren zu lassen. Stets kann der Zuhörer sich durch die Songs durchgenießen, es ist wie mit Treibsand, der einem nur bis zum Hals geht. Man weiß, man ist versunken, aber man weiß auch, dass man die Luft nicht verlieren wird. Mit dem Titelsong "Wind In The Wires" macht sich Patrick aber auch nicht die Mühe, einem die Liane zu reichen. Im Gegenteil. Er wird wieder zum Erzähler. Zum Allwissenden. Getragen von einer zeitlosen Melodie, die einen wie das ganze Album unweigerlich in einen Verne-Roman versetzt. Technik trifft auf Altbewährtes und geht eine Fusion ein, die ich so noch nicht gehört habe.

Dann will uns Patrick necken. Austricksen. Reinlegen. Akustik. Er heult den Mond an und schämt sich nicht zu zeigen, dass auch er kein Pavarotti ist. Aber doppelt so begabt. Wie Wolf "A treasure to be told" heult, lässt keinen Zweifel: Es ist Vollmond. Danach mit "The Gypsy King" einer meiner Lieblingssongs. Patrick erzählt, erzählt, erzählt einfach. Wieder diese Gitarre, diese Leidenschaft. Spätestens hier werde ich kitschig, aber die Platte fantastisch. Dann wieder 76 Sekunden voller Filmmusik für ein 19. Jahrhundert-Epos. Fließend gehen diese 76 Sekunden über in den "Ghost Song". Vogelzwitschern? Das Dunkle als Freund. Passend zu Wolf's neuer Frisur. Kennt ihr das aus Trickfilmen? Wenn ein Geist durch einen durchfliegt, was dann passiert? Dieser Song erreicht genau das Gegenteil dieses Gefühls. Patrick singt und im Hintergrund treibt die Loreley ihr tödliches Spiel. Selten habe ich eine europäischere Platte gehört. Es regnet. Und es scheint die Sonne. Hinter den Wolken. Dieses Wetter. Wieder was für die Indieclubs. Dieser Junge ist der Hyde den Jekyll immer haben wollte. Oder umgekehrt? Fragt mich nicht, denn ich genieße bereits die 81 Sekunden von "Jacob's Ladder". Wieder hat er die Loreley um ein Feature gebeten. Und diesmal knallt ein Raumschiff gegen ihren Felsen.

Wetten, Wolf ist ein Clubgänger? Warum sonst hat er mit "Tristan" bereits den dritten Clubtrack auf die Scheibe geschmissen? Und seinem örtlichen Schlossgeist den Soul beigebracht. Der war dann wohl auch die Inspiration für "Eulogy". Diese knappen zwei Minuten klingen so, wie ein uraltes Gespenst, dass sich mit seinem Schicksal abgefunden hat. Und doch ist sein Klagelied Nacht für Nacht zu hören. Nun das Finale: Patrick fährt nach Hause. Zurück nach Irland, "Lands End". Er steht am Bug und riecht das Grün seiner Heimat, den Whiskey, denkt an den Leprechaun, den er auch seit Ewigkeiten nicht mehr besucht hat. Die Luft ist voller Liebe. Auf Patrick's Bug. In eurem Raum nach dieser Platte. In euren Herzen nach dieser Platte. Käme Wolf aus Norwegen, ich würde jetzt was über Peer Gynt schreiben. Möge die Sonne nie aufgehen. Die Wärme der Nacht. Das hat er also gemeint, mit Lycantrophy.

Konstantin Kasakov

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