Rezension

Omar Souleyman

Wenu Wenu


Highlights: Ya Yumma // Warni Warni
Genre: Arabic Folklore Techno
Sounds Like: Troupe Majidi // Prince Rama

VÖ: 18.10.2013

Kultur ist die vom Menschen geschaffene Umwelt – nicht unabhängig von der sie erschaffenden Gruppe, aber unabhängig von Einzelindividuen. Während es in der Menschheitsgeschichte zu jedem Zeitpunkt Musik gab, ist die Art, wie sie in westlichen Ländern heutzutage rezipiert wird, eine besondere: Musik steht für sich, als Kunstform, und nicht als Zweck oder Ausdruck für etwas Anderes.

In vielen Kulturen ist Musik vor allem funktional – beispielsweise, um böse Geister zu vertreiben oder große Feste zu feiern. Der Syrer Omar Souleyman etwa kam zur Musik über Hochzeitsfeste, auf denen er in seiner Heimat auch heute noch auftritt. Weitere Unterschiede zwischen den verschiedenen Musikkulturen sind offensichtlich – beispielsweise die Harmonien sind völlig anderer Art. Souleymans arabischer Techno, ersprungen aus dem Dabke, einem orientalischen Volkstanz, hat durch lange Melodielinien und direkte Rhythmen etwas Hypnotisierendes an sich. Durch Synthesizer und Basedrums modernisiert Souleyman den Dabke auf oft simple Art und Weise. Auch sein Gesang, mal auf kurdisch, mal auf arabisch, lässt die Musik eindringlich wirken. Interessant ist die zurückhaltende Produktion Kieran Hebdens (aka Four Tet), die "Wenu Wenu" keineswegs einen Mantel westlicher Tanzmusik anzieht, sondern sehr in den Hintergrund tritt und Souleyman so klingen lässt wie er eben klingt.

Dennoch: Für jemanden, der im sogenannten westlichen Kulturraum sozialisiert wurde, erscheint arabische Musik wie die Souleymans zunächst vergleichsweise fremd, er steckt nicht tief genug in der Materie, um Unterschiede, Nuancen klar benennen zu können – zumindest wenn man weder Arabisch spricht, noch große Vorerfahrung mit Musik aus diesem Kulturraum hat.

Trotzdem ist es äußerst interessant zu beobachten, wie es wirkt, wenn ein Künstler eines Kulturraums auch in einem anderen Kulturraum Präsenz erlangt und dort rezipiert wird. Im Zuge der immerfort währenden Globalisierung verschwimmen auch die Grenzen zwischen verschiedenen Kulturgütern, so wird dann eben auch der syrische Techno eines Omar Souleyman von Kieran Hebden produziert und verschafft sich in unseren Breitengraden Gehör. Dieses Verschwimmen der Grenzen ist ein wichtiger und schöner Prozess, denn so spiegelt sich auch in der Musik wider, dass es eine Welt gibt und nicht zwei oder drei, und dass alles irgendwie miteinander verknüpft ist. Kulturelle Besonderheiten sollten einander mehr und mehr inspirieren und nicht voneinander abgrenzen.

Es ist gerade in diesem Jahrzehnt des arabischen Frühlings ein Zeichen, dass ein syrischer Künstler solche Aufmerksamkeit erlangt. "Wenu Wenu" zu hören ist spannend, da es sich so sehr vom Großteil der sonst hier erscheinenden Musik unterscheidet. Und ein solcher Ausbruch aus gewohnten Strukturen lohnt sich immer. Genau deshalb ist es auch relevant, über "Wenu Wenu" zu berichten – wenn auch eine Wertung nicht möglich ist.

Daniel Waldhuber

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