Rezension

Ohbijou

Beacons


Highlights: Wildfires // Cannon March // New Years // Make It Gold // Memoriam
Genre: Indie // Folk
Sounds Like: The Acorn // Anathallo // The Rest // Arcade Fire // Broken Social Scene

VÖ: 19.06.2009

Ohbijou ist eine siebenköpfige Band aus Toronto, deren Songs durch ihre reiche Instrumentierung mit Streichern, Glockenspiel, Mandoline und allerlei weiteren Instrumenten auffallen. Man kann es sich natürlich leicht machen, und Ohbijou anhand dieser Fakten als langweiligen Arcade-Fire-Abklatsch abhaken. Wer aber davor nicht wenigstens einmal genau hinhört, könnte mit Ohbijous zweitem Werk „Beacons“ eines der interessantesten Alben der letzten Zeit verpassen, das eine solche Wärme ausstrahlt und so organisch und lebendig wirkt, dass es einen gar nicht mehr loslassen will.

Dabei ist es gar nicht so einfach, zu beschreiben, was „Beacons“ so gut macht. Vielleicht ist es die gelungene Gratwanderung zwischen impressionistischen Klanggebilden und präzise komponierten Popsongs, die es insbesondere im Vergleich zum Vorgängeralbum auszeichnet. Machte „Swift Feet For Troubling Times“ trotz einzelner Höhepunkte noch einen etwas zerfahrenen und unstrukturierten Eindruck, scheint hier, insbesondere was die Arrangements betrifft, alles Sinn zu machen.

Genau zuhören muss man bei Ohbijou jedoch, denn „Beacons“ umarmt einen nicht mit übertriebenem Pathos und Stimmungen werden nicht routiniert auf Knopfdruck abgerufen. Die Songs entfalten sich stattdessen schon fast schüchtern. Crescendi ufern nicht ziellos aus, sondern sind exakt in den Kontext der Songs eingearbeitet. Besonders behutsam gestaltet sich dabei der Einstieg in Ohbijous Kosmos. Im Opener „Intro To Season“ treffen kraftvolle Drums auf Casey Mecijas lieblichen Gesang, dem sich bisweilen Schwester Jennifer hinzugesellt. Die Worte „we go underground“ scheinen dabei als eine Art Leitprinzip des Albums voranzustehen. „Beacons“ dreht sich inhaltlich nämlich um das Leben in der Stadt, beschränkt sich aber nicht auf den Blick des Außenstehenden auf die funkelnde Skyline, sondern taucht ein in die engen Straßen, hängt sich einzelnen Personen an die Fersen oder teilt Casey Mecijas sehr persönliche Gedanken mit uns. Dem nachfolgenden „Wildfires“ gelingt es mit Akkordeon und Glockenspiel ausgezeichnet, die Spannung aufrechtzuerhalten. Nach und nach schleichen sich Klavier, Gitarre und ein Cello in den Song und verweben sich zu einem luftigen Gebilde, ohne ziellos davonzutreiben. Mit „Black Ice“ treten zum ersten Mal dunklere Untertöne hervor, und manch einem wird hier vielleicht schon klar, dass dieses Album einem weit mehr abverlangen wird, als man zunächst vielleicht annahm. Obwohl Casey Mecijas Gesang einen so angenehm umschmeichelt und die Songs so feinfühlig instrumentiert sind, ist „Beacons“ keineswegs ein unbeschwert leichter Hörgenuss, denn der sich hier andeutende melancholische Grundtonus durchzieht die weiteren Songs des Albums bis hin zum großen Finale.

Ohbijou haben nach den großen Songs der ersten Albumhälfte ihre Geschichte nämlich noch längst nicht zu Ende erzählt, wie sie mit den leidenschaftlichen, sich hymnisch aufbauenden Stücken wie „New Years“ und „Make It Gold“ zeigen, in denen Casey Mecija sogar für einen kurzen Moment ihre Schüchternheit ablegt. Anstatt sich so unauffällig aus dem Staub zu machen wie sie gekommen sind, können Ohbijou den großen Gefühlsausbruch doch nicht zurückhalten. „We Lovers“ mit seinen kristallklaren Banjo-Tupfern gibt einem wenig Zeit, um kurz innezuhalten, bevor einen das tieftraurige „Memoriam“ mit seinen apokalyptischen Bildern sprachlos zurücklässt und einen den brillianten Aufbau von „Beacons“ so langsam verstehen lässt. „No time to stop / life’s so busy“ singt Casey Mecija verzweifelt. Die Zeit für „Beacons” sollte man sich jedoch nehmen und hoffen, dass Ohbijous Leuchtfeuer überall gesehen werden.

Kilian Braungart

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