Rezension
OG Keemo
Geist
Highlights: Nebel // 216 // Set // Zinnmann // Outro
Genre: Hip-Hop // Rap
Sounds Like: Schoolly D // MF Doom // Tua
VÖ: 22.11.2019
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Niemand. Und wenn er kommt? Dann rappt er. OG Keemo veröffentlicht endlich nach Mixtapes und EPs sein erstes Studioalbum. Chimperator unterstützt ihn seit zwei Jahren – und das zu Recht. Mit Funkvater Franks satter Produktion und Keemos lyrischer Wucht sind die beiden nicht nur in der Szene, sondern auch in den Feuilletons der Wochenzeitungen angekommen.
Der Jubel ist aus vielen Gründen berechtigt: OG Keemo ist der Psychoanalytiker unter den Gangsterrappern. Über Analytiker sagt man, dass sie in einem einzigen Satz eine tiefe Einsicht über das Leben beherbergen können. Das tut auch Keemo. Bloß bettet er seine Weisheit in einen Flickenteppich poetischer Bilder, harter Gangsterscheiße und dem alltäglichen Abgrund. „Werf' eine Münze, ganz egal, wie sie aufkommt // sie wird nie auf der richtigen Seite landen.“
Gleichzeitig thematisiert Karim Martin Rassismus und Schwarz-Sein in Deutschland mit einem Gestus des Widerstands, historischen Bezügen – und gespickt mit dem N-Wort: „ De‘n ist egal, wie viel Summe ihr macht // Ob ihr trappen seid oder, ob ihr 'nen Uni-Platz habt // Mit dieser Farbe stehst du automatisch unter Verdacht // Und wer das nicht rafft, verschwendet unnötig Platz // Mein Vater sagte: 'Halt ihn'n nie die andre Wange hin! // Martin Luther tat es, und guck, wie sie ihn behandelten, Ni***‘“. Keemo wirkt nicht wie jemand, der einen weißen Fan auf die Bühne holt, ihn mitrappen lässt und sich dann darüber erbost, wenn er „Nigg**“ mitsingt (Vergleich Kendrick Lamar). Sondern eher, als würde er einen kraftvoll darauf aufmerksam machen, dass man in Deutschland ganz andere Erfahrungen sammelt, wenn man nicht weiß ist. Und dass man sich dabei nicht verlieren darf: „Wegen euch kämpfen wir doppelt hart // Ihr Daniel-Aminati-Nigg** glättet euch die Locken aus den Haar'n“ Wie sinnvoll dabei diese Wir/Ihr-Trennung ist, ist ein anderes Thema.
Nicht so politisch, aber genauso wichtig für die Tracks ist die massive Produktion von Funkvater Frank. Er hat nicht nur einen fantastischen Namen, sondern weiß genau, wann er Raum schaffen sollte für die Lyrics und wann er an seinen Sounds schrauben kann. Frank kombiniert Trap-808-Sound, Echo und Hall, soulige Piano-Samples und fette Synths. So verknüpft er die Vorteile vom ausgiebigem Sample-Suchen auf alten Platten und die Weiten digitaler Klangwelten.
Zusammen sind die beiden ein musikalischer Lichtblick im Gangster-Rap, der sich sonst schnell in reiner Pose verliert. Hier bekommt man neben Pose nämlich Gesellschaftsanalyse, Charakterzeichnung, Anspielungen und ein Rudel neuer Wörter im Kampf gegen das System. FDHZ!
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