Rezension

Nic Dawson Kelly

Old Valentine


Highlights: Thursday 3-23 // The Musician // Marilyn // Old Valentine
Genre: Folk // Blues // Country // Singer-Songwriter // Rhythm And Blues
Sounds Like: Bob Dylan // Townes Van Zandt // Blind Willie McTell // Son House // Dock Boggs // Neil Young // Johnny Cash // The Sumner Brothers // The Felice Brothers

VÖ: 18.06.2010

An Nic Dawson Kellys Stimme werden sich die Geister scheiden. Eine Beschreibung mit Worten ist kaum möglich für die kehlige, zittrige, krächzend säuselnde Gesangsweise des jungen Engländers. Es kommen einem Namen wie Antony Hegarty und Devandra Banhart in den Sinn – Namen von Sängern, die mit ihrem Gesang ebenfalls polarisieren. Man mag Kellys Stimme mögen oder nicht, eines steht jedoch fest: Sie zieht die Aufmerksamkeit auf sich, sie fordert heraus und zwingt zur Auseinandersetzung. Dass eine Stimme im klassischen Sinne schön zu sein hat, war im Folk ohnehin noch nie Voraussetzung. Sie muss Emotionen transportieren und sie ist das direkteste und effektivste Ausdrucksmittel eines Singer-Songwriters – das weiß Nic Dawson Kelly nur zu gut.

Sein Debütalbum „Old Valentine“ ist nämlich im Grunde ein recht traditionell gehaltenes Album – erst der Gesang ist es, der es zu etwas ganz Besonderem macht. Wichtig ist dabei natürlich, dass die Grundlagen stimmen, und in der Tat beherrscht Kelly sein Handwerk wirklich ausgezeichnet. Er ist kein weiterer Engländer, der auf den Folk-Zug mit aufspringen will. Seine Songs sind nicht aufgesetzt, sondern entfalten sich ganz natürlich. Nic Dawson Kelly setzt nicht auf überspitzte Überraschungsmomente. Stattdessen findet er seine ganz eigene Ausdrucksweise, die nicht spektakulär sein mag, jedoch so aufrichtig und unverblümt ist, wie man es sich von einem guten Songwriter nur wünschen kann. Bemerkenswerterweise gelingt ihm dies nicht nur bei seinen Balladen, sondern auch bei den ungestümeren Uptempo-Nummern. Genau an diesem Punkt kommt wieder seine Stimme ins Spiel: Sie trägt in den ruhigen Momenten von „Old Valentine“ genug Leidenschaft in sich um zu berühren, besitzt dabei aber den rauen Charme von alten Blues-Heroen wie Blind Willie McTell und Son House, die Kelly zu seinen Einflüssen zählt. Wenn ihm durch seine Band der Rücken gestärkt wird, zeigt sich Kelly gerne auch etwas ungestümer, ohne jedoch diese besondere Färbung seiner Stimme einzubüßen.

Seine musikalischen Einflüsse sind vielfältig. Mal zeigen sie sich recht deutlich, mal werden sie einem erst nach mehrfachem Hören klar. Kelly greift Elemente aus Country, Blues, Folk und Rhythm & Blues auf, verleibt sie sich ein und lässt sie Teil seiner Musik werden. „Thursday 3-23“ lässt an Johnny Cash denken, bei „Adam And Eve“ stehen Bob Dylan und Townes Van Zandt Pate und “Under Her Matress [I Wrote This]” orientiert sich am 50s-Pop. Es ist eine wahre Freude, sich durch diese muntere Mischung verschiedener Musikstile zu hören. Bevor man sich aber ins Vergnügen stürzen kann, unterzieht Nic Dawson Kelly den Hörer mit „The Musician“ der Probe, ob man mit „Old Valentine“ zurechtkommen wird. Denn so exaltiert wie hier singt er in keinem anderen Song. Wer dabei vor Unverständnis den Kopf schüttelt, sollte an diesem Punkt lieber aussteigen. Wer jedoch den richtigen Zugang findet, wird sich kaum satt hören können an Nic Dawson Kellys Debütalbum.

Kilian Braungart

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