Rezension

My Morning Jacket

Evil Urges


Highlights: Touch Me I'm Going To Scream Pt. 1 // Touch Me I'm Going To Scream Pt. 2
Genre: Indie-Rock // Glam
Sounds Like: Band Of Horses // Fleet Foxes // Midlake

VÖ: 06.06.2008

Auch Bands werden alt. (Wer hat nach diesem Satz auch an die Rolling Stones gedacht?!) Plötzlich steht das fünfte Album an und man fragt sich, wie man um alles in der Welt nochmal für offene Münder sorgen kann. Ein Umzug? Warum nicht. Wenn schon, denn schon: Ab nach New York City, wo jeder Morgen ein neues Abenteuer sei, meint Frontmann Jim James. Seine vier Bandkollegen, die auch schon beim durchweg starken Vorgänger „Z“ mitwirkten, sind einverstanden und wenige Wochen später finden sich alle gemeinsam mit Tausenden Weihnachtsmännern in der New Yorker U-Bahn wieder. Ähnliches muss Interpol, der New Yorker Band des 21. Jahrhunderts schlechthin, auch passiert sein, wie die folgende Zeile beweist: "The subway is a porno“ - ein derart passendes Zitat über die Stadt, die niemals schläft, sucht man auf „Evil Urges“ vergebens, was übrigens auch nicht Intention der bärtigen Rocker aus Kentucky war.

Wie der Albumtitel schon andeutet, dreht sich textlich nämlich alles um moralische Verwirrungen, wie eben böse Triebe: “You want this now you want that / Can't have it all you should enjoy what you have / But I know what you want / Well I know what you want / Well I know what you want, you want the better of two halves!“, säuselt Frontmann James in „Two Halves“, während der Song als Produkt nach einer Mischung aus englischsingenden Ärzten und den Pet Shop Boys klingt. Des Weiteren werden philosophische Fragen wie „Was ist eigentlich böse?“ oder „Sind die uns als gut vertrauten Werte wirklich, was sie vorgeben?“ abgehandelt. Doch, die Texte sind sicherlich nicht der Schwachpunkt, den man beim Hören zwar spürt, aber schwer benennen kann.

Denn auch die Musik ist gewohnt harmonisch, gleichzeitig präziser als auf einigen der Vorgängeralben. Höchstens „Highly Suspicious“ sticht da etwas heraus, negativ: Während der im Refrain einsetzende Background nach einer schlechten mehrstimmigen Nick-Cave-Imitation klingt, muss Sänger James kurz vor der Aufnahme einen ordentlichen Tritt zwischen die Beine bekommen haben – anders lassen sich die dermaßen schrillen Töne nicht erklären. Aber so mies dieses Lied auch ist, so großartig ist doch das Ende des Albums: „Touch Me I'm Going To Scream Pt. 2“ schlägt den ersten Teil mit seinen acht Minuten noch um Längen (im wörtlichen und übertragenen Sinne) und wird sicher nicht nur von mir als einer der heißesten Anwärter auf den Titel „Song des Jahres“ gehandelt. Warum nicht gleich so? Egal, so kommt das Beste, wie man so schön sagt, zumindest zum Schluss. Hoffen wir im Sinne aller My-Morning-Jacket-Fans, dass sich dies in ein paar Jahren oder Jahrzehnten rückblickend auf die Diskografie der Band beziehen lässt, also noch das ein oder andere herausragende Album kommt. Der krönende Abschluss ist „Evil Urges“ nämlich nicht.

Paul Weinreich

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