Rezension

My Baby Wants To Eat Your Pussy

Ignorance & Vision


Highlights: Androus Life // Boys & Girls // Circumstances // Here´s Another End
Genre: Rock´n´Roll // Pop // Musical // Transvestiten-Show
Sounds Like: Queen // Guns´n´Roses // Scissor Sisters // The Rocky Horror Picture Show

VÖ: 23.05.2008

Ok, ich bin sehr gespannt. Im Vorhinein habe ich mir mindestens fünf Mal überlegt, ob ich dieses Album rezensieren soll oder nicht. Wenn ich nur den Bandnamen gelesen hätte und ansonsten nichts damit hätte anfangen können, hätte es mich sehr wahrscheinlich angewidert und ich hätte es so schnell wie möglich wieder vergessen. Aber bei mir hat das ganze andere Hintergründe. Ich könnte sie regionale Gründe nennen. Ich habe quasi die ersten Schritte dieser Band miterlebt. Nur so nebenbei, von Erzählungen, Gerüchten und Live-Auftritten. Immerhin ging ich sogar mit einem Bandmitglied zur gleichen Schule. Mit regionalen Bands ist das wohl so: Entweder man findet sie gut, und supportet sie, ist stolz, sagt: „Hey, die kommen aus meiner Gegend!“, wie das zum Beispiel bei Gemmatreo, The Laconics und Marvin Go! der Fall wäre. Oder: Man findet sie eher lächerlich und macht sich im Freundeskreis über sie lustig.

Angepriesen wurden mir MBWTEYP sogar schon von den Eltern eines Mitgliedes. Wir trafen sie in einer lauen Sommernacht, nach dem Weltwandertag 2006, der in unserer kleinen Stadt Prüm stattfand, und bei dem Heino ein kostenloses Konzert gegeben hatte: Open-Air, mit hunderten von älteren Menschen, die alle in Gruppen zu etwa 30 Leuten in ihren gleichfarbigen Trachten von einer Seite der Bierbank zur anderen schunkelten. Ein Riesenspaß. Und weil es uns so gut gefallen hat, wollten wir als Erinnerung unbedingt dieses Heino-Plakat haben, das mit hartnäckigen Paketbindern an einen Laternenpfahl gebunden war. Bis Frau und Herr B. zufällig vorbei kamen und uns ins Gespräch verwickelten… „Unser Sohn, der David, der spielt in einer Band, kennt ihr die schon? Wie heißt die noch gleich?“ Fragte sie ihren Mann. „My Baby Wants To Eat Your Pussy“ sprach der aus dem Hintergrund. “Danke, ja, kennen wir schon! Wir müssen jetzt aber mal los! Tschüß!“ Unser Plakat haben wir leider nicht mitnehmen können.

Nun möchte ich mich aber neutral dem Schaffenswerk der Band widmen. Ein Jahr Studioarbeit steckt darin, das Artwork ist beeindruckend aufwändig, so etwas lernt man an der Popakademie, an der sich die Bandmitglieder kennen und lieben gelernt haben. Und was ist nun mit der Musik?

Der erste Song spielt an. Und ich bin überrascht, denke: Verdammt, das hört sich ja gut an! Nur ein paar Synthie-Orgel-Drücker, aber eine prägnante Stimme, die sie begleitet. Alles ganz einfach, aber darum sehr gut. Dann jedoch beginnt die Dramatik… ein weiblicher Gesangspart und mehrere Instrumente kommen dazu. Allerdings ist weniger oft mehr, was sich bis zum Ende des Albums als Leitfaden hin streckt. Denn oftmals ist es einfach zu viel Drama, Glitzer und Pop, was man da zu hören bekommt.

„Boys & Girls“, der zweite Song des Albums, ist ein sehr eingängiger Song, wenn auch mit stellenweise übertriebenem Rock´n`Roll-Gitarren-Rap-Part, macht der wiederkehrende melodiöse Refrain doch einiges wieder gut. „Don´t Tell A Soul“ beginnt mit Geklatsche und hört sich nach einer Zirkusmelodie inklusive Spieluhr und Trompete an. Das nette Gespiele wandelt sich dann aber schnell in eine hämmernde Gitarrenmelodie um, um dann in einer Art Pop-Ska-Song auszulaufen. „Circumstances“ ist ein hübsches, kurzes Zwischenspiel, in dem eine weit entfernte Frauenstimme über Streichern und Gedonner ruhig ihre traurigen Phrasen spricht: „I Never Wanted To Control Anything / They Always Told Me To Be Quiet“. Direkt im Anschluss geht es wieder pop-rockig daher. Mit einbrechender Gitarre und fröhlichen Synthie-Piepsern wird über „Sahra“ erzählt. In „So Deep“, einem sehr unnötigen Song auf dem Album, wird dann auch lauthals über den Bandnamen gesungen, also über genau das, was „sein Baby“ so gerne machen würde. Der Ideenreichtum ist grandios, soviel muss man ihnen lassen. Denn im nächsten kurzen Einspieler „Capital Letters“ wird an nichts gespart: Blockflöte, Glockenspiel, und sogar ein Akkordeon wird wahrgenommen. Auch wenn das Ganze eher wie eine Kindergartenvorführung klingt.

„Boy“ beginnt mit sympathischem Klavierspiel und geht eher belanglos weiter. Doch dann folgt auch schon „Bubblebath“, dessen Refrain anfangs sogar irgendwie an Beck erinnert, wenn da gesungen wird: „Tacking A Bubblebath / When Your Heart Aches / I`m Washing Away My Sins“. Der 10:13 Minuten-Hammer „Peace Interstellar“ bietet einen elektronischen Beat, artet zwischenzeitlich in totales Chaos aus, um sich dann wieder quietschend zu beruhigen. Weiter geht’s mit Weltraum-ähnlichen Geräuschen und Gesprächsabhörungen, Vogelgezwitscher und Computerstimmen, um in einen Dance-Song über zu gehen. In „Freezing-Scene“ singt der Gentleman dann: „I Can Bring You Wherever You Want To Go / As Long As You Walk On Your Own“. Es folgen eine Menge ähnlich gestrickter Songs, insgesamt zählt das Album ganze stolze 18 Tracks, was bei anderen Kollegen längst zwei CDs ergeben hätte.

Im Ganzen ist zu sagen, dass ich mich glücklicherweise doch überwunden habe, in das Album rein zu hören. Denn wenn ich es nicht gemacht hätte, wäre meine Erinnerung und somit meine Einstellung der Band gegenüber auf dem gleichen schlechten Level geblieben. Aber nun weiß ich, dass da doch ein paar qualitativ gute Melodien dabei sind. Wer Musicals mag, und damit meine ich nicht unbedingt solche klassischen und romantischen wie „Cats“ oder „Das Phantom der Oper“, sondern doch eher die in die „Rocky Horror Picture Show“-Richtung gehenden, sollte sich MBWTEYP auf jeden Fall mal anhören, oder vielleicht auch ansehen. Denn neben anderen crazy Darbietungen gibt es vor allem auch Männer mit langen blonden Haaren, Make-Up und kurzen Röcken zu sehen.

Mir stellt sich nun nur noch die Frage, ob die Band dank ihres Namens bereits so viel Aufmerksamkeit erhalten hat, oder ob sie schon viel weiter wäre, wenn sie sich einen anderen, nicht gar so furchtbaren Namen suchen würde.

Marlena Julia Dorniak

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