Rezension

Mumford & Sons

Sigh No More


Highlights: The Cave // Roll Away Your Stone // White Blank Page // Little Lion Man // Dust Bowl Dance
Genre: Folk // Bluegrass // Rock
Sounds Like: Johnny Flynn // Noah And The Whale // The Avett Brothers // The Low Anthem // The Sumner Brothers

VÖ: 23.10.2009

Es war irgendwann zu Beginn des letzten Jahres, als die amerikanische Folk-Welle endgültig nach Großbritannien hinüberschwappte. Auf einmal schoss eine große Zahl aufstrebender Künstler aus dem Boden, die traditionelle Elemente aufgriffen und mit jugendlicher Frische doch etwas ganz Eigenes schufen. Dazu zählten Singer-Songwriter wie Johnny Flynn und Laura Marling, aber auch die Band mit dem etwas biederen Namen „Mumford & Sons“, über die lange niemand wirklich viel zu wusste. Als Support bei Laura Marlings Konzerten machten sie sich jedoch ohne große Marketing-Kampagnen schnell einen Namen – es sprach sich einfach herum, wie überwältigend die Auftritte des jungen Quartetts waren. Nach und nach wurden drei EPs veröffentlicht. Die Erwartungen an das Debüt stiegen mit jedem weiteren Schritt, den die Band machte. Spätestens seit ihrem Auftritt beim Haldern Pop Festival ist die Band auch bei uns überall im Gespräch, und ihr nun erschienenes Debütalbum „Sigh No More“ wurde gespannt erwartet.

Was ist also das Geheimnis dieser Band, die sich mit Gitarre, Banjo, Stand-Up Bass und Keyboard nahezu in altbackener Bluegrass-Besetzung präsentiert, und es doch schafft, unmittelbar zu begeistern? Wer sich „Sigh No More“ anhört, wird schnell die Antwort finden.

Mumford & Sons machen Musik mit einer solchen Leidenschaft, dass man unmöglich weghören kann. Man wird einfach mitgezogen von diesen Songs, die keine Grenzen zu kennen scheinen. Es ist eine aufreibende Angelegenheit, und doch gibt einem diese Musik so viel, dass man sich bereitwillig darauf einlässt. Natürlich hat das alles mit konventionellem Bluegrass kaum etwas zu tun. Was die Musik der vier Engländer mit Bluegrass gemein hat, ist in erster Linie die überschäumende Energie, die in den meisten Songs früher oder später zum Vorschein kommt. Dank Markus Dravs’ ausgezeichneter Produktion lassen einen die Songs die Kraft spüren, die auch die Auftritte der Band erfüllt, ohne dass sie brachial oder ungehobelt wirken. Die Gitarrensaiten werden schonungslos angeschlagen und gezupft, das Banjo tobt sich aus und auch ohne ein vernünftiges Drumset jagen die Songs oft mit einem Tempo nach vorne, dass einem schwindelig wird. Marcus Mumford hat dieses leichte Kratzen in der Stimme, dass sie absolut unwiderstehlich macht, und der inbrünstige mehrstimmige Chorgesang lässt einen nicht wie bei den Fleet Foxes andächtig lauschen, sondern bohrt sich ungestüm direkt in die Gehörgänge. Obwohl „Sigh No More“ seine Wirkung unmittelbar entfaltet, findet man mit vermehrtem Hören des Albums heraus, wie viel Überlegung hinter den Arrangements steckt, zu welchem Zeitpunkt welches Instrument den gewünschten Effekt erzielen soll.

Und dann sind da noch Marcus Mumfords Texte, die so klug sind, dass sich in jedem Song eine Zeile findet, die es wert ist, hier zitiert zu werden. Schonungslos offen teilt er seine persönliche Gefühlswelt mit uns, formuliert dabei aber so klar und prägnant, dass man sich in seinen Texten schnell selbst wiederfindet. „Sigh No More“ dreht sich um das Leben in all seinen Facetten und konfrontiert einen daher mit einer Fülle menschlicher Emotionen: Die Songs bewegen sich zwischen Wut und Verzweiflung, zwischen Reue und Zuversicht, zwischen Selbstzweifel und Verbitterung, zwischen Hoffnung und Euphorie. Das Debüt von Mumford & Sons verlangt einem ohne Frage einiges ab, wenn man sich auf diese emotionale Achterbahn einlässt, gibt aber umso mehr zurück, wenn man das Wagnis eingeht - und das sollte man auf jeden Fall. Musik mit so viel Herz bekommt man nicht alle Tage zu hören.

Kilian Braungart

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