Rezension

Molchat Doma

Monument


Highlights: Discoteque
Genre: Coldwave
Sounds Like: Depeche Mode // Motorama

VÖ: 13.11.2020

Die belarusische Coldwave-Band verkitscht ihren Mythos, ohne dabei ihren Reiz zu opfern.

In der durchchoreographierten Musikindustrie sind Molchat Doma Ausreißer. Lange nur dem Youtube Underground bekannt, wird ihr zweites Album "etazhi" zum Bandcamp-Hit. Spätestens als ihr Song "Sudno" zum TikTok-Trend wird, ist der ungewöhnliche Durchbruch geschafft.

Was aber macht die Band aus? Neben dem Coldwave-Szene-Revival, das sie anführen, ist es vor allem ein spezifisches Zusammenspiel von Ästhetik und Atmosphäre. Der mythisch angehauchte Name (übersetzt etwa "Die Häuser sind still"), die sowjetische Brutalismus-Architektur auf den Albencovern, die düster-depressive Grundstimmung, die politischen Texte und nicht zuletzt die musikalische Schnittstelle zwischen Joy-Division-Verzweiflung und New-Order-Aufbruchsstimmung. In Songs von Molchat Doma klingt ein Funke alternativer Zukunft mit, eine Art depressive Wehmut für das nie passierte.

Doch auf Album Nummer Drei klingt die Band auf einmal nicht mehr nach alledem. Die Songs sind größer produziert, die Stimme klingt nicht mehr wie durch ein veraltetes Lautsprecher-System auf einem Underground-Wave-Rave geschallt, sondern heller und klarer. Songs wie "Udalil Tvoy Nomer" klingt nicht mehr wie aus der Zeit zwischen Joy Division und New Order gegriffen, sondern lehnt sich deutlich an den Arena-Synthpop von Depeche Mode an.

Am deutlichsten zeigt sich der Wandel aber in der Ästhetik. Erweckt "etazhi" mit dem Schwarz-Weiß-Bild des Hotel Panorama in der Slowakei, einem ikonischen Bau des sozialistischen Realismus, noch gleichzeitig Beklemmung und Nostalgie, ist das Cover von "Monument", das Denkmal für die Gründung der Arbeiterpartei Nordkoreas in Pjöngjang, inmitten von brechenden Wellen gephotoshopped, schlicht monumentaler Kitsch. Die subtilen Bedeutungsebenen, die die Ästhetik der Band bisher ausgemacht haben, gehen auf "Monument" fast vollständig unter.

"Monument" zeigt dennoch die Qualitäten der Band, ohne sich zu sehr selbst zu lähmen. Das Trio macht nicht den Fehler, sich seinen neugewonnenen Fans anzubiedern, Songs wie "Discoteque" wagen auch den Schritt aus der Komfort-Zone des Bandcamp-Erfolgs, tauschen die Post-Soviet-Underground-Rave-Romantik gegen futuristische Disko-Ästhetik als Eskapismus aus der grauen Realität des von Corona und Autoritarismus gebeutelten Minsk 2020. "Otveta Net" dagegen zeigt die Kehrseite: Einsamkeit, Isolation und Verzweiflung geistern in bruchstückhaften Texten über repetetive Post-Punk-Gitarren. Molchat Doma vertrauen zu Recht auf ihre musikalischen Qualitäten statt sich ausschließlich über den sie umgebenden Mythos zu definieren,

Alles in Allem bleibt "Monument" ein gutes Album zwischen Post-Punk und Synthpop. An einigen Stellen tanzbar, an anderen bedrückend und düster. Der Mythos, den die Band aus Minsk mit ihren ersten beiden Alben heraufbeschworen hat, verschwindet gegelgentlich hinter zu hoch gegriffenen Ambitionen in Sound und Ästhetik. Dennoch, oder gerade deshalb, zeigt "Monument" eine Weg nach vorn für eine Band, die mehr zu bieten hat, als nur diesen Mythos.

Robin Jaede

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